Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen. Berücksichtigung eines Tariflohns nach Allgemeinverbindlicherklärung. Voraussetzung der Übernahme von Arbeitszeitdaten aus einer Zeiterfassung
Orientierungssatz
1. Bei der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen können Arbeitszeitdaten nur dann aus einer vom Arbeitgeber geführten elektronischen Zeiterfassung abgeleitet werden, wenn diese Daten die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln. Gelingt dem Arbeitgeber der Nachweis, dass diese Daten ungenau sind, so sind für die Arbeitszeitermittlung andere Quellen heranzuziehen.
2. Bei der Berechnung nachträglicher Sozialversicherungsbeiträge nach der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages kann der Tariflohn anstelle des geringeren tatsächlich vereinbarten Lohns jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden, wenn es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeit gibt, etwa weil eine der dafür erforderlichen Voraussetzung nicht gegeben ist (hier: Mindestanzahl tarifgebundener Beschäftigter im Hotel- und Gaststättengewerbe im Land Nordrhein-Westfalen).
Tenor
Der Bescheid vom 05.11.2008 in der Fassung des weiteren Bescheides vom 16.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 wird in Höhe von 2.920,06 Euro aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 83 %, die Klägerin 17%.
Der Streitwert wird auf 3.530,88 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin eines Pizza-Bestellservices. Die angestellten Mitarbeiter wurden mangels Tarifbindung des Unternehmens untertariflich bezahlt. Unter dem 21.07.2008 führte die Beklagte bei der Firma der der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2004 bis 30.05.2008 eine Betriebsprüfung durch.
Nach Anhörung der Klägerin unter dem 05.08.2008 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2008 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 3.935,19 Euro nach. Zur Begründung führte sie aus, der als geringfügig Beschäftigter angemeldete Beigeladene zu 5) überschreite in der Zeit seiner Beschäftigung vom 01.12.2004 bis 28.02.2005 die Geringfügigkeitsgrenze, daher bestehe Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen. Ausgehend von den Daten des von der Klägerin verwandten Zeiterfassungssystems seien auch die Beigeladene zu 6) und der Beigeladene zu 7) versicherungspflichtig in allen Zweigen. Schließlich seien die Beiträge für die Beigeladenen zu 5) bis 20) nicht anhand des tatsächlich gezahlten, untertariflichen Lohnes zu berechnen, sondern anhand des geltenden Tariflohnes, da der entsprechende Entgelttarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 19.02.2008 durch das seinerzeit zuständige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen mit Wirkung zum 01.04.2006 für allgemeinverbindlich erklärt worden sei. Die Klägerin legte am 04.12.2008 Widerspruch ein und führte aus, entgegen der Angabe im Arbeitsvertrag des Beigeladenen zu 5) habe dieser nicht zum 01.12., sondern erst zum 13.12.2004 mit seiner Tätigkeit bei der Klägerin begonnen, es handele sich um einen Schreibfehler im Arbeitsvertrag. Überdies überschreite der in den drei Monaten erzielte Durchschnittslohn nicht die Geringfügigkeitsgrenze. Die Angaben hinsichtlich der Beigeladenen zu 6) und des Beigeladenen zu 7) seien zutreffend. Die Daten aus dem Zeiterfassungssystem entsprächen nicht den tatsächlichen Arbeitsstunden dieser Beschäftigten. Aus EDV-technischen Gründen habe sich stets ein Beschäftigter mit seiner Personalnummer anmelden müssen, um das System aufrechtzuerhalten und Bestellungen ermöglichen zu können. Hierfür seien die Personalnummern der Beigeladenen zu 6) und des Beigeladenen zu 7) verwendet worden, welche ihre Nummern zu diesem Zweck auch an andere Beschäftigte weitergegeben hätten, damit jene sich damit einloggen und das System hätten aufrechterhalten können. Die Allgemeinverbindlicherklärung des besagten Tarifvertrages sei nichtig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Überdies wirke die Allgemeinverbindlicherklärung allenfalls ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe im Bundesanzeiger, somit frühestens ab dem 13.12.2006. Mit Bescheid vom 16.04.2007 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und legte den entsprechenden Entgelttarifvertrag erst ab 01.01.2007 zu Grunde. Im Übrigen hielt sie an ihren Ausführungen fest. Es ergab sich eine Beitragsnachforderung von insgesamt 3.530,88 Euro, die Säumniszuschläge in Höhe von 163,00 Euro enthielt. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2009 wies die Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13.08.2009 erhobene Klage.
Die Klägerin verweist unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen auf ein Urteil des VG Düsseldorf vom 16.11.2010 (Az.: 3 K 8653/08), das die Allgemeinverbin...