Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für eine ambulante hyperbare Sauerstofftherapie. keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. kein Systemversagen. grundrechtsorientierte Auslegung nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005
Orientierungssatz
1. Aufgrund der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung" (juris: MVVRL) gehört die hyperbare Sauerstofftherapie zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen (MVVRL Anlage II Nr 16). Die hyperbare Sauerstofftherapie kann mithin grundsätzlich nicht als ambulante ärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch genommen werden.
2. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des sog Systemversagens.
3. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer ambulanten Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff (HBO) vom 23.01. bis 18.02.2012 in Höhe von 3.885,80 EUR.
Die 0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einem diabetischem Fußsyndrom (Stadium Wagner III-IV). Am 19.01.2012 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer ambulanten HBO-Behandlung. Sie legte hierzu einen Kostenvoranschlag des HBO-Zentrums Euregio Aachen vom 13.01.2012 vor, in dem die Kosten für 25 Behandlungen mit insgesamt 4.369,52 EUR veranschlagt worden waren.
Ausweislich eines in der Verwaltungsakte der Beklagten auf dem Antragsschreiben vom 16.01.2012 aufgebrachten handschriftlichen Vermerks lehnte die Beklagte den Antrag mündlich am 19.01.2012, dem Tag des Eingangs, ab. Sodann lehnte sie die Kostenübernahme auch durch schriftlichen Bescheid vom 27.01.2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, die HBO-Behandlung sei mangels ausreichender medizinisch-wissenschaftlicher Aussagefähigkeit bzw. Wirksamkeitsbelege vom zuständigen Ausschuss nicht anerkannt und damit als Kassenleistung ausgeschlossen.
Dagegen erhob die Klägerin am 02.02.2012 Widerspruch. Sie hielt die Ablehnungsbegründung für nicht richtig; der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Ärzte und Krankenkassen habe mit Beschluss vom 13.03.2008 die HBO-Therapie bei der Indikation "diabetischer Fuß Wagner III" aufgrund der vorliegenden Studien und des wissenschaftlich nachprüfbaren Behandlungserfolges empfohlen.
Vom 23.01. bis 18.02.2012 erhielt die Klägerin in vier Behandlungsabschnitten 20 ambulante HBO-Behandlungen im HBO-Zentrum Euregio Aachen. Die Behandlungen wurden durch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte erbracht. Das HBO-Zentrum stellte der Klägerin mit (privatärztlicher) Rechnung vom 24.02.2012 einen Pauschalpreis von 3.885,80 EUR in Rechnung. Die Klägerin beglich die Rechnung am 08.03.2012.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 zurück mit der Begründung, die (alleinige) HBO-Behandlung sei als ambulante Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch die geltenden Richtlinien des G-BA (Anlage II der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) ausgeschlossen.
Dagegen hat die Klägerin am 25.04.2012 Klage erhoben. Sie räumt ein, der Gesundheitszustand vor der HBO-Behandlung sei zwar schwerwiegend gewesen, habe jedoch keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit begründet. Auch wenn der G-BA die HBO-Therapie in der ambulanten Versorgung als Leistung der GKV allgemein ausgeschlossen habe, sei sie doch durch Beschluss des G-BA vom 13.03.2008 bei der Indikation des diabetischen Fußsyndroms im Stadium Wagner III und IV als GKV-Leistung anerkannt. Die Klägerin meint, diese Feststellung müsse sowohl für den stationären als auch den ambulanten Bereich gelten. Desweiteren ist sie der Auffassung, dass der Kostenerstattungsanspruch unabhängig von der - ggf. fehlenden - Anerkennung der HBO-Therapie durch den G-BA auch deshalb bestehe, weil eine fehlende Anerkennung auf einen Mangel im gesetzlichen Leistungssystem zurückzuführen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 zu verurteilen, ihr die Kosten für die ambulante hyperbare Sauerstoff-Therapie im HBO-Zentrum Euregio Aachen in der Zeit vom 23.01. bis 18.02.2012 in Höhe von 3.885,80 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsak...