Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf implantologische Leistungen bei ausgeprägter Kieferatrophie. Verstoß der Zahnersatz-Richtlinien gegen höherrangiges Recht
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter hat Anspruch auf Kostenübernahme einer implantatgestützten Unterkiefer-Prothese durch die Krankenkasse, wenn er an einer ausgeprägten Kieferatrophie leidet.
2. Die Zahnersatz-Richtlinien verstoßen durch Nichtaufnahme der Ausnahmeindikation "ausgeprägte Kieferatrophie" gegen höherrangiges Recht und sind lückenergänzend richterrechtlich dahingehend auszulegen, dass auch die "ausgeprägte Kieferatrophie" als Ausnahmeindikation gilt.
Tatbestand
Mit der Klage vom 04. August 1999 gegen die Bescheide der Beklagten vom 06. Mai und 24. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 1999 -- zugestellt am 15. Juli 1999 -- fordert der Kläger eine Versorgung mit implantatgestützter Unterkiefer-Prothese (Suprakonstruktion).
Der 1944 geborene Kläger beantragte im März 1998 unter Vorlage eines Kostenvoranschlages "IMZ-Implantate" -- 7.928,--DM, eventuell zuzüglich 2.623,70 DM -- und eine Bescheinigung des Dr. Dr. K vom 26. März 1998 und einer Bescheinigung des behandelnden Zahnarztes Dr. M vom 06. Oktober 1998 eine Kostenübernahme-Erklärung der Beklagten.
Der von dieser eingeschaltete MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) lehnte mit anonymen Aktenlagegutachten des Referates Zahnmedizin vom 07. April 1998 eine Befürwortung ab, weil die Alveolarkammatrophie als altersentsprechend einzustufen sei; die medizinisch notwendige Zahnersatz-Versorgung sei mit herkömmlichem Zahnersatz funktionell ausreichend möglich. Der von der Beklagten als beratender Zahnarzt gehörte Dr. S stellte in seinem Implantatgutachten vom 13. Januar 1999 fest, dass auf Grund der fortgeschrittenen Alveolarkammatrophie im Unterkiefer eine funktionelle Versorgung ohne Implantate unmöglich sei.
Mit den oben genannten Bescheiden lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende entsprechende Ausnahmeindikation in den zu § 28 Abs. 2 Satz 9 des Sozialgesetzbuches -- 5. Buch/Gesetzliche Krankenversicherung -- SGB V -- ergangenen Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen (BAZÄ/KK) eine Kostenübernahme ab.
Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein Sachleistungsbegehren unter Hinweis darauf weiter, dass bei ihm ein prothetisch nutzbarer Kieferdamm nicht mehr vorliege.
Bezüglich der Frage einer Eigenbeteiligung verweist er auf den Bezug von Arbeitslosenhilfe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06. Mai und 24. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 1999 zu verurteilen, ihm eine Versorgung mit implantatgestützter Unterkiefer-Prothese zu beschaffen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide.
Der Beigeladene stellt keinen Klageantrag.
Er trägt unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegten Unterlagen
-- Beschluss des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vom
24. Juli 1998, VII. Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen,
-- Erklärung des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen zur
Versorgung mit Implantaten und Zahnersatz vom 24. Juli 1998,
-- Niederschrift zur Sitzung des Arbeitsausschusses
"Zahnersatz-Richtlinien" des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen am 27. März 1998,
-- Niederschrift über die 48. Sitzung des Bundesausschusses der
Zahnärzte und Krankenkassen am 24. Juli 1998 und
-- Pressemitteilung des Bundesausschusses der Zahnärzte und
Krankenkassen vom 24. Juli 1998
im Wesentlichen vor:
1. Den von ihm beschlossenen Richtlinien komme normkonkretisierende
Wirkung zu.
2. Entsprechend der Vorgabe des Gesetzgebers sei er zum Erlass
normkonkretisierender, nicht aber zum Erlass normergänzender Richtlinien ermächtigt. Er habe nur Ausnahmeindikationen für implantologische Behandlungen im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung beschließen dürfen. Eine Gesamtbehandlung liege nur vor, wenn die Behandlung über das Ersetzen fehlender Zähne hinausgehe; bei einer Implantatversorgung im atrophierten Kiefer könne nicht vom Vorliegen einer medizinischen Gesamtbehandlung im Sinne des Gesetzes gesprochen werden.
3. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V enthalte einen grundsätzlichen
Leistungsausschluss für implantologische Leistungen und begründe einen Leistungsanspruch erst durch die Aufnahme einer Indikation durch den Bundesausschuss in den Ausnahmekatalog.
4. Eine Regelungslücke liege nicht vor, denn der generelle Ausschluss
sei wegen erheblicher Abgrenzungsprobleme, die auch die Kausalzusammenhänge für das Entstehen von Atrophien umfassten, sachgerecht und aus Wirtschaftlichkeitsgründen auch geboten.
5. Der Bundesausschuss habe den Gesetzgeber auf den unbefriedigenden
Zustand hingewiesen und eine Gesetzesänderung angeregt, die auch in dem am 23. Juni 1999 von der Bundesregie...