Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die 13. Kammer schließt sich der Entscheidung der 8. Kammer des SG Aachen vom 9.2.2007 - S 8 R 96/06 - an, wonach auch Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, mit einem Abschlag zu versehen sind (Entgegen BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Erwerbsminderungsrente ab 01.02.2001.
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin ist seit 03.07.2000 arbeitsunfähig. Am 31.08.2000 beantragte sie Rente wegen Erwerbsminderung. Durch Bescheid vom 21.01.2001 bewilligte die Beklagte - ausgehend von einer seit 03.07.2000 bestehenden Erwerbsminderung - Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 01.02.2001 bis 31.12.2001. Der Rente lagen u.a. eine Zurechnungszeit von 125 Monaten vom 01.08.2000 bis 31.12.2010 und ein verminderter Zugangsfaktor von 0,994 zugrunde. Zur Ermittlung dieses maßgeblichen Zugangsfaktors hatte die Beklagte den Faktor 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 30.11.2016 bis zum Ablauf des 63. Lebensjahres um 0,003 vermindert; bei der Klägerin bedeutete dies eine Verminderung für zwei Monate um insgesamt 0,006 auf 0,994. Die Summe aller Entgeltpunkte (30,9137), multipliziert mit dem Zugangsfaktor 0,994, ergab die für die Rentenberechnung maßgeblichen persönlichen Entgeltpunkte (30,7282). Durch Bescheid vom 09.10.2002 verlängerte die Beklagte die Erwerbsminderungsrente bis 30.09.2004; durch Bescheid vom 17.05.2004 bewilligte sie die Rente unbefristet. Alle Rentenbescheide sind bestandskräftig geworden.
Am 04.05.2006 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Höhe und eine Neuberechnung der seit 01.02.2001 gewährten Rente. Zur Begründung verwies sie u.a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R.
Durch Bescheid vom 08.06.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Rente ab mit der Begründung, die Rente werde in richtiger Höhe gezahlt. Den hiergegen am 15.06.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 10.10.2006 Klage erhoben. Sie meint, der Berechnung ihrer Rente müsse das im Jahre 2000 geltende Rentenrecht zugrunde gelegt werden, da ihr grundsätzlich die Erwerbsminderungsrente bereits ab 01.07.2000 zugestanden habe; die Rente sei lediglich im Hinblick auf die zunächst vorgenommene Befristung erst ab 01.02.2001 gezahlt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr in entsprechender Abänderung der Rentenbewilligungsbescheide vom 29.01.2001, 09.10. 2002 und 17.05.2004 höhere Rente wegen Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass für die Berechnung der Rente das bei Rentenbeginn geltende Recht maßgeblich sei. Im Übrigen hält sie die Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 für falsch und verweist auf verschiedene anhängige Musterprozesse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide über die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ab 01.02.2001 und eine Nachzahlung von Rente abgelehnt, da bei Erlass dieser Bescheide das Recht richtig angewandt und die Rentenleistungen in richtiger Höhe erbracht worden sind (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X).
Maßgeblich ist das Rentenrecht, das bei Beginn der Leistung - hier: ab 01.02.2001 - galt. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls oder des Rentenantrags (jeweils im Jahre 2000) an, sondern auf den Rentenbeginn. Dies folgt aus § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Beklagte hat sich daher bei der Berechnung der Rente zu Recht auf das ab 01.01.2001 geltende Rentenrecht in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl. I S. 1827 - (im Folgenden: EM-RRG) gestützt.
Die Beklagte hat das Rentenrecht in der Fassung EM-RRG auch richtig angewandt. Sie hat zutreffend gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI i.V.m. § 253a SGB VI und der Anlage 23 zum SGB VI eine Zurechnungszeit von 125 Kalendermonate...