Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. keine Erhöhung nach § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 mangels atypischer Umstände
Orientierungssatz
Das Erwerbseinkommen eines Sozialhilfeempfängers ist unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 30 vH gem § 82 Abs 3 S 1 SGB 12 anzurechnen. Lebensalter, Gesundheitszustand sowie eine aus einer Beschäftigung resultierende Krankenversicherungspflicht sind keine atypischen Umstände iS eines begründeten Falles gem § 82 Abs 3 S 3 SGB 12, die zu einem höheren Freibetrag führen. Als Anwendungsbereich von § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 bleiben atypische Fallkonstellationen, in denen die Anreizfunktion entgegen der Konzeption des SGB 12 ausnahmsweise doch greift. So verhält es sich bei dem in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten "Ferienjob" eines Schülers.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter. Streitig ist, welchen Freibetrag der Beklagte bei der Anrechnung des Erwerbseinkommens zu berücksichtigen hat.
Der ... 1935 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger, der seit längerer Zeit in Deutschland lebt zwischen dem 01.03.2001 und dem 31.10.2008 neben dem Sozialhilfebezug eine Tätigkeit als Hilfskraft in der Rechtsanwaltskanzlei seines Prozessbevollmächtigten ausübte. Der hierbei erzielte Nettolohn schwankte ausweislich der Verwaltungsakte sowie nach Angaben des Klägers und belief sich zumeist auf einen Betrag von ungefähr 330 Euro monatlich. Der für den Vollzug des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) zuständige Leistungsträger räumte dem Kläger hiervon zuletzt (ab Mai 2004) einen Freibetrag i. H. v. 149,10 Euro in Anwendung von § 76 Abs. 2, Abs. 2 a des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein.
Ab dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) zum 01.01.2005 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Anrechnung des Einkommens und bei Berücksichtigung eines Freibetrag in Höhe von 30 Prozent des Nettoeinkommens.
Eine (gegen den Bewilligungsbescheid vom 23.02.2005 gerichtete) Klage auf höhere Sozialhilfeleistungen unter Einräumung eines höheren Freibetrags wies die Kammer mit Urteil vom 19.04.2006 ab (S 19 SO 63/05). Die hiergegen gerichtete Berufung verwarf das Landessozialgericht mit Urteil vom 14.02.2007 als unzulässig (L 12 SO 10/06). Die anschließende Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 18.03.2008 zurück (B 8 SO 19/07 B). Eine gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits mit Beschluss vom 20.03.2007 nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2822/06).
Mit Bescheid vom 21.06.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.10.2005 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2006 unter Einräumung eines dreißigprozentigen Freibetrags, desgleichen auch mit den Bescheiden vom 21.06.2006 und vom 21.06.2007 für die Zeit vom 01.07.2006 bis 30.06.2007 bzw. vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2008.
Nachdem es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten darüber gekommen war, ob der gegen den ersten Bewilligungsbescheid unter Geltung des SGB XII eingelegte Widerspruch als "Dauerwiderspruch" gegen alle Bescheide unter Einräumung eines nur dreißigprozentigen Freibetrags anzusehen sei, wies der Beklagte mit Bescheid vom 12.06.2008 die - unterstellten - Widersprüche gegen die Bescheide vom 21.06.2006 und vom 21.06.2007 als unbegründet zurück. Er führte aus, der dreißigprozentige Freibetrag nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gelte auch für die Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Ein höherer Freibetrag in Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII scheide aus, denn das Lebensalter des Klägers stelle angesichts der bezogenen Leistung gerade keinen besonderen Umstand dar. Dasselbe gelte für seinen Gesundheitszustand, denn es sei nicht Sache des Sozialhilferechts, einen Anreiz zur Selbstschädigung zu schaffen.
Hiergegen richtet sich die am 24.06.2008 erhobene Klage.
Mit Bescheiden vom 24.06.2008 und 11.07.2008 hat der Beklagte sodann Leistungen für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2009 bewilligt und hierbei zuletzt ein monatliches Erwerbseinkommen i. H. v. 322.- Euro sowie einen Freibetrag von 96,60 Euro (zuzüglich Absetzbeträge von 5,20 Euro für Arbeitsmittel und 20.25 Euro für Fahrtkosten) veranschlagt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hat er mit Bescheid vom 21.08.2008 zurückgewiesen.
Der Kläger führt aus, seine Klage betreffe den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.10.2005 sowie ab dem 01.07.2006 bis zum Ende der Beschäftigung. Den Bescheid ...