Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Feststellung eines Grades der Behinderung bei Schädigung der Wirbelsäule. Bildung eines Gesamt-GdB
Orientierungssatz
1. Bei einer Gesundheitsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule, die zu schweren funktionellen Auswirkungen in einem Bereich (hier: Halswirbelsäule) und zugleich leicht- bis mittelgradigen Auswirkungen in einem weiteren Bereich (hier: Lendenwirbelsäule) führt, ist im Regelfall die Zuerkennung eines GdB von 30 angemessen.
2. Einzelfall zur Bildung eines Gesamt-GdB (hier: Gesamt-GdB von 40 festgestellt).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch die Höhe des Grades des Behinderung (GdB) streitig.
Bei der am 00.00.0000 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2012 aufgrund von Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, Funktionsbeeinträchtigung von Herz und Kreislauf, einer Sehminderung und Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße einen GdB von 40 fest.
Am 14.05.2013 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag und begehrte die Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und RF. Zur Begründung gab sie an, sie leide unter eine Wirbelsäulenerkrankung der Hals-, Brust, und Lendenwirbelsäule mit sehr starken Schmerzen und nachweisbaren Läsionen in den Segmenten C6/7 sowie von der Halswirbelsäule ausgehenden Taubheitsgefühlen über die rechte Schulter in die rechte Hand, einer Herzerkrankung mit Einsetzung eines Stent, wechselnd niedrigem und hohem Blutdruck, stark schmerzenden Beschwerden im linken Knie und Beeinträchtigungen der Motorik.
Der Beklagte holte Befundberichte des Neurologen und Psychiaters T sowie des Hausarztes und Internisten Dr. G ein und wertete diese, zusammen mit Arztberichten der Praxis Radiologie B, der Klinik für Neurologie der Medizinisches Zentrum T GmbH und einem Entlassungsbericht der F über eine Rehabilitationsmaßnahme vom 14.03. bis 08.04.2013, durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der GdB für die Wirbelsäule sei weiter mit 30 zu bewerten, auch der GdB für die Einschränkung der Herz und Kreislauf sei mit 30 weiter zutreffend bewertet. Die Sehminderung und die Funktionsstörungen der unteren Extremitäten sei jeweils weiter mit einem GdB von 10 angemessen beurteilt, weswegen es insgesamt bei einem GdB von 40 verbleiben könne.
Mit Bescheid vom 16.07.2013 lehnte der Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB und Zuerkennung der begehrten Merkzeichen ab. Hiergegen legte die Klägerin am 30.07.2013 Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zog der Beklagte noch Befundberichte der Orthopädin und speziellen Schmerztherapeutin Dr. Q sowie der Anästhesiologin und Schmerztherapeutin Dr. L bei und wertete auch diese durch seinen ärztlichen Dienst aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013 wies die Bezirksregierung N den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 05.11.2013 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben.
Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Neurologen und Psychiaters T, des Chirurgen Dr. W, der Anästhesiologin und Schmerztherapeutin Dr. L, des Augenarztes Dr. Q, des Neurochirurgen Prof. Dr. L sowie der Orthopädin und Schmerztherapeutin Dr. Q ... Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellung gegeben worden.
Am 19.08.2014 hat ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligen stattgefunden. In diesem Termin hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Merkzeichen G und RF zurückgenommen.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Orthopäden und Schmerztherapeuten Dr. N eingeholt, welches dieser am 27.02.2015 gegenüber dem Gericht erstattet hat.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.04.2015 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, sich auf die sozialmedizinische Bewertung des gerichtlich bestellten Gutachters bezogen und beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2013 zu verurteilen, bei der Klägerin ab August 2013 den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich insbesondere auf die gutachterlichen Stellungnahmen seines ärztlichen Beraters im vorliegenden Verfahren bezogen, wonach die Bildung des Gesamt-GdB durch den Gutachter Dr. N nicht überzeugen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihr steht derzeit kein höherer GdB als 40 zu.
Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ih...