Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Bestimmung des örtlich zuständigen Leistungsträgers für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen wegen Erwerbsminderung
Orientierungssatz
Die Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialleistung bestimmt sich auch für die Grundsicherungsleistungen wegen Erwerbsminderung nach dem Wohnsitz des Hilfeempfängers. Eine abweichende örtliche Zuständigkeit ergibt sich bei Eintritt in eine ambulante betreute Wohnmöglichkeit, da insoweit derjenige Träger zuständig bleibt, der bis zum Eintritt zuständig war oder gewesen wäre. Dabei ist auch eine fiktive Zuständigkeit relevant, bei der eine Einstandspflicht für Sozialhilfeleistungen aufgrund örtlicher Zuständigkeit nur deshalb nicht entstand, weil der betroffene Hilfebedürftige aufgrund anderen Leistungsbezugs (hier: Bezug von stationäre Leistungen der Sozialhilfe) vorübergehend keine Grundsicherungsleistungen beanspruchte.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für die Zeit von Januar bis November 2011 nach dem 4. Kapitel des SGB XII erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin N. U. N. in Höhe von 4.205,54 EUR zu erstatten. Es wird fest-gestellt, dass die Beklagte auch weiterhin für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin zuständig ist, solange diese auch Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 9.205,54 EUR festgestellt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Leistungsträger ab 01.01.2011 für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) an die Hilfeempfängerin (HE) N.U.N. - sachlich und örtlich - zuständig ist. Die Klägerin, die ab 01.01.2011 die GSi-Leistungen erbringt, begehrt die Erstattung ihrer Aufwendungen, die sich bis einschließlich November 2011 auf 4.205,54 EUR belaufen.
Die am 00.00.0000 geborene HE ist schwerbehindert nach einem Grad der Behinderung von 90 (Merkzeichen G, RF, B). Sie ist seit 24.09.2001 dauerhaft voll erwerbsgemindert und erhält deshalb seit August 2002 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Rentenbescheid der LVA Rheinprovinz - heute: DRV Rheinland - vom 22.01.2004). Sie steht unter gerichtlich bestellter Betreuung des Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) e.V ... Seit Dezember 1998 bezog die HE Sozialhilfe, zuletzt in Form von Leistungen der GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich sie bis 27.01.2010 wohnte. Zudem erhielt die HE bis Januar 2010 von dem Beigeladenen Sozialhilfe in Form von Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII durch Fachleistungsstunden (FLS) im Rahmen ambulant betreuten Wohnens.
Am 28.01.2010 zog die HE in das Rheinische Blindenheim in Düren um, wo sie bis 31.12.2010 wohnte. Die Kosten dieser stationären Heimunterbringung trug der Beigeladene.
Zum 01.01.2011 bezog die HE eine eigene Wohnung in Düren; Vermieter ist das Deutsche Katholische Blindenwerk e.V., ein anerkannter Anbieter des Betreuten Wohnens. In diesem Zusammenhang erhält die HE seit Januar 2011 wieder vom Beigeladenen Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII, u.a. regelmäßig 4,5 FLS wöchentlich im Rahmen ambulant betreuten Wohnens (Bewilligungsbescheid des Beigeladenen vom 16.05.2011).
Am 15.11.2010 beantragte die HE bei der Klägerin GSi-Leistungen für die Zeit ab 01.01.2011 unter Beifügung einer Mietbescheinigung und Hinweis, dass kein Vermögen vorhanden sei. Mit Schreiben vom 22.11.2010 leitete die Klägerin den GSi-Antrag der HE "zuständigkeitshalber" unter Hinweis auf die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII an die Beklagte weiter. Diese sandte die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 25.11.2010 wieder an die Klägerin zurück; sie vertrat die Auffassung, eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII liege nicht vor, da die neue Wohnung der HE keine ambulant betreute Wohnform im Sinne dieser Vorschrift darstelle; für die Gewährung der GSi-Leistung sei deshalb gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII die Klägerin zuständig. Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2010 mit, dass sie der HE ab 01.01.2011 vorläufig GSi-Leistungen gewähren werde; zugleich meldete sie für diese Leistungen einen Kostenerstattungsanspruch an und erklärte, die Höhe werde sie später beziffern.
Am 30.12.2010 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, ihre örtliche Zuständigkeit für die an die HE "ab dem 01.01.2011 zu erbringenden Leistungen nach dem SGB XII anzuerkennen und die von ihr erbrachten Aufwendungen zu erstatten".
Durch Bescheid vom 03.01.2011 hat die Klägerin der HE GSi-Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2011, durch weiteren Bescheid vom 15.06.2011 für die Zeit von Juli 2011 bis Juni 2012 bewilligt. Die HE erhielt von der Klägerin bisher - für Januar 2011 138,49 EUR, - für Februar bis Juni 2011 monatlic...