Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Abrechnung von Leistungen durch ein Krankenhaus. Überprüfung der Abrechnung durch die Krankenkasse. Voraussetzung der Zahlung einer Aufwandspauschale bei Prüfung ohne Beanstandung
Orientierungssatz
1. Eine Prüfung von Krankenhausabrechnungen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) stellt immer eine Auffälligkeitsprüfung dar und nicht nur eine Prüfung der Abrechnung auf sachlich-rechnerischen Richtigkeit.
2. Allerdings liegt eine Prüfung durch den MDK, aus der ein Anspruch auf Gewährung einer Aufwandspauschale in Höhe von derzeit 300 Euro folgt, nur in den Fällen vor, in denen zum Zwecke der Prüfung auch Sozialdaten in Form von zusätzlichen medizinischen Unterlagen bzw. weiteren Angaben auf Anforderung durch den MDK beim Krankenhaus zum konkreten Abrechnungsfall erhoben werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der in einem Krankenhausbehandlungsfall gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gezahlten Aufwandspauschale von 300,00 EUR hat.
Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelte sie vom 18.11. bis 26.11.2010 einen Versicherten der Klägerin. Die Beklagte übermittelte der Klägerin eine Vergütungsrechnung vom 22.12.2010 nebst den erforderlichen Daten gemäß § 301 SGB V. Die Klägerin beauftragte ihren Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Behandlungsfalles. Mit Schreiben vom 27.01.2012 zeigte der MDK der Beklagten den Prüfauftrag an mit dem Hinweis, die Klägerin habe ihn "mit einer gutachterlichen Stellungnahme zur Kodierung der Haupt- und Nebendiagnosen beauftragt". Der MDK erhob im Rahmen des erteilten Prüfauftrages bei der Beklagten weitere - über diejenigen nach § 301 SGB V hinausgehende - Daten, indem er den Entlassungsbericht, die Pflegedokumentation, die Patientenkurve und den Operationsbericht von der Beklagten anforderte. Die Beklagte übersandte dem MDK diese angeforderten Unterlagen. Die Prüfung des MDK führte nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages. Die Klägerin zahlte der Beklagten nicht nur die in Rechnung gestellte Vergütung, sondern auf deren Rechnung vom 13.03.2012 auch die Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von 300,00 EUR.
Mit Schreiben vom 30.11.2016 forderte die Klägerin von der Beklagten die gezahlte Aufwandspauschale unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 25.10.2016 (B 1 KR 16/16 R) zurück.
Am 24.12.2016 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 300,00 EUR erhoben. Sie vertritt die Auffassung, sie habe die Aufwandspauschale rechtsgrundlos gezahlt. Ihr stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung dieser Aufwandspauschale zu, weil es sich um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt habe. Sie beruft sich auf vier Urteile des BSG vom 25.10 2016 (B 1 KR 16/16 R, B 1 KR 18/16 R, B 1 KR 19/16 R und B 1 KR 22/16 R). Das BSG habe klargestellt, dass Kodierprüfungen sachlich-rechnerische Tatbestände darstellen, die nicht § 275 Absatz 1c SGB V unterfallen, bei sachlich-rechnerischen Prüfungen - mit Blick auf bestehende Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen - auch dann keine Aufwandspauschalen zu zahlen sind, wenn sich der Rechnungsbetrag nicht mindert, es dabei nicht darauf ankommt, ob die Kasse im Prüfauftrag an den MDK oder der MDK in der Anforderung von Unterlagen beim Krankenhaus Bezug auf § 275 Absatz 1 oder Absatz 1c SGB V genommen hat, es sich bei § 275 Absatz 1c Satz 4 SGB V um eine ab dem 1. Januar 2016 geltende gesetzliche Neuregelung handelt, die keinerlei Rückwirkung entfaltet.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.12.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erhebt rein vorsorglich die Einwände der Verjährung und Verwirkung. Sie bestreitet, dass die Klägerin eine Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" durch den MDK durchgeführt habe; aus ihrer - der Beklagten - Sicht habe eine Auffälligkeitsprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit stattgefunden. Unabhängig davon verstoße die Rückforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dadurch, dass die Klägerin die Aufwandspauschale vorbehaltslos gezahlt habe, habe sie einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Sie - die Beklagte - habe darauf vertrauen dürfen, dass nach 4 Jahren keine Rückforderung mehr erfolge. Aufgrund dessen habe sie auch keine haushaltsrelevanten Vorkehrungen in Form von Rückstellungen getroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsa...