Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. angemessenes Kraftfahrzeug
Orientierungssatz
1. Für die Auslegung des Begriffes "Angemessenheit" iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 kann nicht die Rechtsprechung zu den bis 31.12.2004 geltenden Vorschriften für die Arbeitslosenhilfe herangezogen werden.
2. Bereits aus der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" kann abgeleitet werden, dass der Bewertungsmaßstab nicht eine starre Wertgrenze sein kann (vgl SG Aurich vom 24.2.2005 - S 15 AS 11/05 ER = NJW 2005, 2030).
3. Der Zweck des § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 ist, dass den Arbeitsuchenden die für eine Arbeitsaufnahme erforderliche Mobilität und damit die Möglichkeit zur Annahme auch weiter entfernter Arbeitsangebote zu erhalten. Deshalb sind Kraftfahrzeuge angemessen, die ein zuverlässiger, möglichst wenig reparaturanfälliger, sicherer und arbeitstäglich benutzbarer Gebrauchsgegenstand sind (vgl SG Aurich aaO und SG Detmold vom 21.6.2005 - S 4 AS 17/05).
4. Die Rechtsauffassung, dass Fahrzeuge mit einem Wert bis 10.000 Euro generell oder gar Mittelklassewagen generell als angemessen betrachtet werden sollen, ist jedoch nicht zutreffend. Denn wenn maßgeblich die Lebensumstände während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung sind (§ 12 Abs 3 S 2 SGB 2), so ist darauf abzustellen, wie sich ein Arbeitsuchender vernünftigerweise verhalten würde, der ohne staatliche Unterstützungsleistungen über ein Einkommen etwa in Höhe des Arbeitslosengeldes II verfügt. Dem Arbeitssuchenden ist es zwar nicht zumutbar, auf ein altes und reparaturanfälliges Fahrzeug umzusteigen, aber die Qualitätsanforderungen an ein Kraftfahrzeug für einen Arbeitsuchenden können auch von Fahrzeugen erfüllt werden, deren Wert unter 10.000 Euro liegt oder die nicht wenigstens Mittelklassewagen sind.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist Arbeitslosengeld II dem Grunde nach für die Zeit vom 01.01.2005 bis 06.03.2005.
Der Kläger beantragte am 19.12.2004 Arbeitslosengeld II. Er ist im Januar 1962 geboren, bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe und lebte in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, geboren 1930. Die Gesamtgröße der Wohnung liegt laut Mietvertrag bei 62 qm. Dem Antrag beigefügt war ein vom Kläger vorgefertigtes Schreiben, das "A.N." unterschrieben ist und wonach der Kläger von seiner Mutter keine Unterstützung erhalte und sich mit 50% an Miete und Nebenkosten beteiligen müsse. Auskunft über ihr Vermögen gebe sie nicht. Die Mutter des Klägers bezieht ab 01.07.2003 laufend Witwenrente in Höhe von 950,83 EUR und Altersrente in Höhe von 648,42 EUR.
Der Kläger hatte bei Antragstellung Sparguthaben in Höhe von 3.001,20 EUR, Guthaben auf dem laufenden Konto von 943,- EUR, Bargeld von 100,- EUR und besaß einen PKW Audi A3 Attraction 1,9 TDI, 77 kW, Erstzulassung 11.07.03, Metallic-Lackierung, Klimaanlage, Radio, vom Beklagten angesetzter Wert 14.000,- EUR.
Die Beklagte verneinte einen Leistungsanspruch des Klägers wegen zu hohen Vermögens. Der Freibetrag von 9.150,- EUR sei überschritten, wobei der Wert des Pkw abzüglich eines Betrages von 5.000,- EUR für einen bei der Vermögensanrechnung nicht zu berücksichtigenden angemessenen Pkw abzusetzen und der dem Kläger gehörende Pkw deshalb mit 9.000,- EUR zu berücksichtigen sei.
Nach Ablauf der Widerspruchsfrist legte der Kläger am 07.03.2005 Widerspruch ein, wobei er bat, trotz Fristversäumnis in der Sache zu entscheiden und hilfsweise einen neuen Leistungsantrag stellte, der bei der Beklagten bearbeitet wird, aber noch nicht beschieden ist. Der Kläger trug vor, das Sparguthaben von 3.000,- EUR sei inzwischen verbraucht. Der Pkw sei nicht zu berücksichtigen, weil nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte Arbeitslose nicht gezwungen werden könnten, ein Fahrzeug zu verkaufen, nur weil es mehr als 5.000,- EUR wert sei.
Die Beklagte beschied den Widerspruch in der Sache und wies ihn zurück (Bescheid vom 27.04.205), bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung habe wegen zu hohen Vermögens kein Leistungsanspruch bestanden.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger eine Fahrzeugbewertung der Fa. F. per 04.06.2005 vorlegte; bei einem Kilometerstand von 28000 km liege der Händlereinkaufspreis bei 14.500,- EUR. Auf seinen Fall sei die Rechtsprechung des Sozialgerichts Detmold anzuwenden, wonach ein Mittelklassewagen kein Vermögen, sondern ein Verkehrsmittel sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.01.2005 bis 06.03.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, Mittelklassefahrzeuge könnten nicht generell anrechnungsfrei bleiben. Der Anschaffungspreis des vom Kläger genutzten Fahrzeuges liege bei 23.840,- EUR. Der Kläger habe das Fahrzeug währ...