Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Sanktionierung von Verletzung der Mitwirkungspflicht. Meldepflichtverletzung. Absenkung von Grundsicherungsleistungen. Dauer der Sperrzeit
Orientierungssatz
Hat die Bundesagentur für Arbeit aufgrund einer Meldepflichtverletzung gegenüber einem Leistungsempfänger eine Sperrzeit von einer Woche gemäß § 309 SGB 3 verhängt, so kann dann, wenn der Betroffene zugleich Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bezieht, der Grundsicherungsträger keine eigene Sperrfrist festsetzen, die zeitlich über die von der Bundesagentur für Arbeit verhängte Frist hinaus reicht. Insoweit ist die Regelung zur Verhängung einer Sperrfrist in § 31, 31b SGB 2 entsprechend teleologisch zu reduzieren, um eine Abweichung der Dauer der jeweiligen Sperrzeiten auszuschließen.
Tenor
Der Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine dreimonatige Absenkung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 00.00.000 geborene Klägerin bezog im September 2012 neben den Leistungen nach dem SGB II auch Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Mit Bescheid vom 27.09.2012 stellte die Agentur für Arbeit Düren eine Sperrzeit vom 04.09. bis 10.09.2012, also ein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB III für diesen Zeitraum, fest. Die Klägerin sei der Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich gemäß § 309 SGB III am 03.09.2012 zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen. Der Bescheid ist nach Durchführung eines Widerspruchs- und Klageverfahrens mittlerweile bestandskräftig (vgl. Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 und Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Aachen unter S 15 AL 244/12).
Mit Bescheid vom 01.10.2012 beschränkte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Eintritt der Sperrzeit nach dem SGB III das Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 04.09.2012 für die Dauer von drei Monaten auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Eine Verkürzung auf einen Zeitraum von sechs Wochen käme nicht in Betracht. Den Widerspruch der Klägerin vom 05.10.2012, den sie damit begründete, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit erkennbar rechtswidrig sei, da sie den Besprechungstermin krankheitsbedingt telefonisch abgesagt habe, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 zurück. Die erfolgte Absenkung der SGB II-Leistungen sei hinsichtlich Höhe und Zeitraum zwingende Folge des Eintritts der Sperrzeit nach dem SGB III. Aufgrund der Absenkung der Leistungen erhielt die Klägerin im September 2012 403,23 EUR, im November 2012 361,03 EUR und im Dezember 2012 50,86 EUR, mithin insgesamt 815,21 EUR weniger SGB II-Leistungen.
Am 12.11.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit aufgrund der erfolgten telefonischen Absage des Besprechungstermins erkennbar rechtswidrig sei. Unabhängig davon ist zu beanstanden, dass eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III im Umfang von einer Woche eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II für einen Zeitraum von drei Monaten zur Folge hat. Auch die rückwirkende Absenkung sei bereits rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die Minderung der SGB II-Leistungen zwingende Rechtsfolge einer festgestellten Sperrzeit nach dem SGB III sei. An die von der Bundesagentur für Arbeit erstellten fachlichen Hinweise zur Anwendbarkeit dieser Rechtsfolge in entsprechenden Fällen sei der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung nicht gebunden. Zudem habe sich der Gesetzgeber bei seiner Reform des SGB II im Jahr 2011 offensichtlich dafür entschieden, sämtliche SGB II-Sanktionen infolge von Feststellungen von SGB III-Sperrzeiten im Sinne der §§ 31, 31a und 31b SGB II und nicht im Sinne des § 32 SGB II zu regeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 ist rechtswidrig.
Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit nach den Vorschrif...