Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. schwere spezifische Leistungsbehinderung bei funktioneller Einhändigkeit. Verweisungstätigkeit. Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz- bzw Separatwachdienst. Pförtner an der Nebenpforte. körperliche Belastbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verweisungstätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz- bzw Separatwachdienst, die auf das konkrete Einsatzgebiet der Nebenpforte beschränkt ist, kann nicht mehr als arbeitsmarkgängig angenommen werden (Anschluss an LSG Halle vom 26.7.2018 - L 3 R 428/15 und LSG Berlin-Potsdam vom 12.7.2018 - L 8 R 883/14).

2. Die Tätigkeit eines Pförtners ist regelmäßig eine solche im Wachschutz, die körperliche Belastbarkeit und Flexibilität voraussetzt.

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bei funktioneller Einhändigkeit.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2021 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2021 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1961 geborene Kläger ist gelernter Maurer. Er arbeitete in diesem Beruf bis 1990 und seitdem durchgehend als Zimmermann. Zuletzt war er von 2000 bis 2018 als Zimmermann bzw. Produktionsmitarbeiter in einem Sägewerk beschäftigt. Am 20.04.2018 erlitt er beim Aufstapeln von Holzbalken einen Arbeitsunfall. Ein schweres Kantholz fiel auf seine linke Hand mit der Folge einer Mittelhandfraktur D4. Die Verletzung wurde konservativ behandelt, es schloss sich eine spezielle handtherapeutische Rehabilitation im BG Klinikum in H an. Ein Versuch einer Wiedereingliederung im Betrieb blieb erfolglos. Über die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) wurden zudem in 11/2018 und 1/2019 zwei Arbeitstherapeutische Leistungsanalysen durchgeführt. Festgehalten wurde im dortigen Abschlussbericht u. a., dass aufgrund der geäußerten Beschwerden in Verbindung mit dem gezeigten Bewegungsverhalten von einer tendenziell unbewussten Selbstlimitierung auszugehen sei. Im Ergebnis wurde eingeschätzt, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen hinsichtlich der motorischen Funktionen der linken Hand vollschichtig möglich seien. Eine Tätigkeit im Lager, bei der Be- und Entladetätigkeiten vorwiegend mit einem Gabelstapler durchgeführt werden, sei empfehlenswert. In 4/2019 stellte sich der Kläger in der Unfallbehandlungsstelle (UBS) Berlin vor, wo ein CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) als wahrscheinliche Diagnose gestellt wurde. Weitere Therapievorschläge neben einer Schmerztherapie konnten von dort aufgrund der bereits sachgerecht erfolgten Behandlung nicht benannt werden. Nachdem sich am Zustand der linken Hand keine Veränderungen mehr ergaben - sie wurde insgesamt geschont, es gab deutliche Bewegungseinschränkungen von Fingern und Handgelenk, erhebliche Kraftminderung - und der Kläger weitere Angebote für Physiotherapie bzw. Schmerztherapie ablehnte, schloss der behandelnde Chirurg L die Behandlung zum 10/2019 ab.

Der Kläger bezog bis 20.10.2019 Verletztengeld von der BGHM und im Anschluss bis August 2021 Arbeitslosengeld. Bei ihm ist seit Juni 2019 ein GdB von 30 anerkannt. Der Kläger konnte vor dem Unfall beidhändig hantieren.

Am 21.10.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und verwies darauf, dass seine linke Hand steif und nicht belastbar sei. Er könne nichts mehr heben, halten oder tragen, könne höchstens drei Stunden arbeiten, verbunden aber immer mit Schmerzen. Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte Arztbriefe und Entlassungsberichte zu den bisherigen Behandlungen bei und lehnte mit Bescheid vom 28.07.2020 den Rentenantrag ab. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte der Kläger am 24.08.2020 Widerspruch ein und machte geltend, dass er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes keine Arbeiten mehr verrichten könne. Trotz der monatelangen Behandlung bestehe weiterhin eine starke Funktionseinschränkung der linken Hand und ein Dauerschmerz, der sich bei Belastung verstärke. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2021 zurück. Der Gesundheitszustand sei nach eingehender Auswertung der Behandlungsberichte und des im Auftrag der A Versicherung AG erstellten Gutachtens des Unfallchirurgen L schlüssig eingeschätzt worden. Das Leistungsvermögen sei noch für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen für mindestens sechs Stunden täglich erhalten. Eine Summierung oder schwere spezifische Leistungsbehinderung sei nicht gegeben.

Hiergegen hat der Kläger unter dem 16.02.2021 Klage zum Sozialgericht Altenburg erhoben und nochmals auf die deutliche Bew...

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