Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Qualitätssicherung. Krankenhaus. Mindestmengenprognose (hier: für "komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus“). inhaltliche Anforderungen an Widerlegungsbescheid nach § 136b Abs 5 S 6 SGB 5. Entscheidungsfrist. kein Nachschieben von Gründen im gerichtlichen Verfahren (hier: im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes)

 

Leitsatz (amtlich)

Inhaltliche Anforderungen an den Widerlegungsbescheid zur Mindestmengenprognose; kein Nachschieben von Gründen mehr.

 

Orientierungssatz

1. Zum Streit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Widerlegungsentscheidung eines Landesverbandes der Krankenkassen nach§ 136b Abs 5 S 6 SGB 5 , mit welcher einem Krankenhaus mitgeteilt wurde, dass für den Leistungsbereich "komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus" eine berechtigte mengenmäßige Erwartung - nach Erhöhung der geltenden Mindestmenge von 10 auf 26 Operationen - nicht gegeben sei.

2. Allein der Umstand, dass ein Krankenhausträger die erforderliche Mindestmenge in den beiden Vorjahren nicht erreicht hat bzw voraussichtlich nicht erreichen wird, reicht als Begründung für erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Prognose für das maßgebliche Kalenderjahr nicht aus (vglLSG Schleswig vom 26.1.2023 - L 10 KR 125/22 B ER = juris RdNr 29 ).

 

Nachgehend

Bayerisches LSG (Beschluss vom 19.03.2024; Aktenzeichen L 5 KR 22/24 B ER)

 

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 26.10.2023 vor dem hier erkennenden Sozialgericht Augsburg ( S 3 KR 348/23 ) gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 26.09.2023 wird angeordnet.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerinnen gesamtschuldnerisch.

III. Der Streitwert für das Verfahren im einstweiligen Rechtschutz wird endgültig auf 88.807,16 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Antragsgegnerinnen (Ag) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen deren Bescheid hinsichtlich der Widerlegung einer Mindestmengenprognose.

Die Beteiligten streiten sich im Rahmen der am 26.10.2023 erhobenen Klage über die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ag vom 26.09.2023, mit welchem die Ag zu 1 namens und im Auftrag aller Ag mitteilte, dass für den Leistungsbereich "komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus" eine berechtigte mengenmäßige Erwartung nicht gegeben sei.

Die Ast ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen

Krankenkassen zugelassenen Krankenhauses. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in diesem Krankenhaus bislang die in den vergangenen Jahren geltende Mindestmenge für komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus bei Erwachsenen von 10 eingehalten wurde.

Ab dem Jahr 2024 wurde die Mindestmenge unstreitig ausnahmslos auf die Zahl 26 erhöht, Übergangsregelungen sind ausgelaufen.

Die Ast stellte mit maschineller Datenmeldung vom 07.08.2023 für den

Leistungsbereich der komplexen Eingriffe am Organsystem Ösophagus für Erwachsene die positive Prognose. Sie gab an, dass im Jahr 2022 insgesamt 11 Leistungen und im Zeitraum vom 01.07.2022 bis 30.06.2023 bereits 18 Leistungen erbracht worden seien.

Da die Ag Zweifel an jener seitens der Ast prognostizierten Mindestmenge hatten, führten sie ein schriftliches Anhörungsverfahren durch, woraufhin die Ast mit Schreiben vom 08.08.2023 ergänzend ausführte. Hierin führte die Ast aus, dass zutreffenderweise bei grds. Betrachtung der Größe des Krankenhauses die nötige Menge an Leistungen nicht zu erfüllen sei. Es seien allerdings konkrete Besonderheiten der hiesigen Klinik zu berücksichtigen, die ein Erreichen der Mindestmengen deutlich wahrscheinlich machen ließen und dass wahrscheinlich sogar in 2023 bereits die Menge von 26 erreicht werde. Die Klinik sei im Allgäu der einzige überregionale Versorger, echte Großkliniken seien über zwei Stunden entfernt. Darüber hinaus biete die Klinik eine besondere Versorgung mittels Robotik an, welche einzigartig sei, da sie die Nachbehandlung deutlich verkürze. Es handle sich hier um ein Alleinstellungsmerkmal, zumal die Kliniken in U-Stadt und R-Stadt diese Art der Operationen aufgrund von Personaländerungen einstellen mussten und daher die hiesige Klinik mehr Zulauf erhalte. Aufgrund der neuen innovativen Methode steige die Nachfrage nach diesen Operationen bei der Ast aktuell deutlich an. Man sei daher überzeugt, die Mindestmengen in naher Zukunft erfüllen zu können. Die Ast sei das erste Haus, das seit 2017 die Operationen mittels Robotik durchführe und es bestehe viel Erfahrung in diesem Bereich.

Mit Bescheid vom 26.09.2023 erklärten die Ag gegenüber der Ast, dass für das Jahr 2024 keine positive Prognose bestehe, dass die Mindestmenge von 26 komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus für Erwachsene erreicht werden könne. Die Leistung dürfe daher ab 01.01.2024 nicht mehr bewirkt werden. Den Ausführungen zu weiteren Umständen hinsichtlich der Erreichung der Mindestmengen habe unter Abwägung aller Umstände ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge