Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragshaftung. Baugewerbe. Bürgenhaftung des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer. keine Exkulpation bzw Haftungsbeschränkung. keine Analogie des § 28e Abs 3b bis 3f SGB 4. Verfassungsmäßigkeit. Rechtsgrundlage. Geltendmachung der Beitragsforderung. Erlass durch Verwaltungsakt
Orientierungssatz
1. Im Baugewerbe findet für die Beitragshaftung nach § 150 Abs 3 SGB 7 nur die Bestimmung des § 28e Abs 3a SGB 4 Anwendung. Die analoge Anwendung des § 28e Abs 3b, 3c, 3d und 3f scheidet aus, da hinsichtlich der fehlenden Einbeziehung dieser Regelungen kein "Redaktionsversehen" des Gesetzgebers vorliegt.
2. Zur Verfassungsmäßigkeit der selbstschuldnerischen Bürgenhaftung gem § 150 Abs 3 SGB 7 ohne eine Exkulpationsmöglichkeit und ohne gegenständliche Haftungsbegrenzung.
3. Die in den §§ 150 Abs 3 SGB 7 iVm 28e Abs 3a SGB 4 geregelte Bürgenhaftung stellt eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes zur Geltendmachung einer Beitragsforderung dar.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Klägerin als Hauptunternehmerin für rückständige Beiträge der Firma R. (im Folgenden Firma R. genannt) in Anspruch genommen hat.
Die Klägerin ist wie die Firma R. ein Unternehmen des Baugewerbes, für das die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. jetzt die Beklagte zuständig ist.
Im Jahre 2004 war die Firma R. im Rahmen von Nachunternehmerverträgen vom 27.01.2004 und 17.09.2004 bei zwei Bauvorhaben (Raiffeisenbank in T., M.-Museum in A.) für die Klägerin tätig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom 01.12.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma R. eröffnet.
Mit Schreiben vom 03.03.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Klägerin für die noch nicht vollständig entrichteten Beiträge der Firma R. zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Geschäftsjahr 2004 in Anspruch zu nehmen. Die Firma R. sei im Jahr 2004 für die Klägerin als Auftragnehmerin tätig gewesen. Hierfür habe die Firma R. der Klägerin insgesamt 52.847 EUR netto in Rechnung gestellt. Daraus ergebe sich eine beitragspflichtige Lohnsumme von insgesamt 35.228,00 EUR. Aus dieser beitragspflichtigen Lohnsumme wiederum errechne sich ein Haftungsbetrag der Klägerin in Höhe von 2.337,64 EUR.
Mit Schreiben vom 07.03.2006 äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass sie eine Haftung für die rückständigen Unfallversicherungsbeiträge der Firma R. für das Jahr 2004 auf gar keinen Fall anerkenne. Sie habe bei Abschluss beider Nachunternehmerverträge von der Firma R. Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkassen und der zuständigen Berufsgenossenschaft verlangt und diese auch von der Firma R. erhalten. Bezüglich des Vertragsschlusses im Januar 2004 sei eine bis zum 15.05.2004 gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bezüglich des Vertragsschlusses vom September 2004 eine bis zum 16.05.2005 gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgelegt worden. Die Klägerin sei damit allen Verpflichtungen nachgekommen, die ihr im Rahmen der Überprüfungspflicht innerhalb der Hauptunternehmerhaftung auferlegt worden seien. Aus den vorstehend ausgeführten Fakten und den beiliegenden Belegen ergebe sich ganz deutlich, wie restriktiv die Klägerin die Vorgaben des Gesetzgebers gegenüber ihren Nachunternehmern handhabe; es sei daher absolut unverständlich, weshalb die Beklagte die Klägerin als selbstschuldnerische Bürgin heranziehen wolle. Die Klägerin habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die ihr vertragstechnisch und im Rahmen von diversen Überprüfungsmöglichkeiten eröffnet seien; zudem habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit zwei Unbedenklichkeitsbescheinigungen letztendlich bestätigt, dass keine Beitragsrückstände seitens der Firma R. bestünden. Was sonst als eine amtlich beglaubigte Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und auch anderen Institutionen (z.B. Krankenkassen) sollte der Klägerin die Rechtssicherheit geben, die sie generell im Umgang mit ihren Subunternehmen benötige.
Mit Schreiben vom 15.03.2006 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung die Beklagte nicht von einer möglichen Haftung im Rahmen der Hauptunternehmerhaftung befreie. Zudem werde mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung lediglich bescheinigt, dass die zum Ausstellungszeitpunkt bekannten und erhobenen Beiträge bezahlt worden seien. Würden, wie vorliegend betreffend der Firma R., nachträglich Unregelmäßigkeiten bezüglich der gemeldeten sowie der tatsächlich angefallenen Lohnsummen festgestellt, habe dies eine Beitragsnacherhebung für zurückliegende Zeiträume zur Folge. Im Rahmen des Umfangs des jeweiligen Auftragsverhältnisses hafte der im betreffenden Zeitraum festgestellte Auftraggeber auch für diese nacherhobenen Beiträge.
Mit Haftungsbescheid vom 31.03.2006 nahm die Beklagte di...