Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei fehlendem Aufenthaltsrecht bzw Aufenthalt zur Arbeitsuche. Wegfall eines vom Ehegatten bzw Vater abgeleiteten Aufenthaltsrechts. fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verdachts des Diebstahls. Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Leistungsausschluss bejaht nach Auszug des Ehemanns nach fristloser Kündigung.
Orientierungssatz
Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 mit höherrangigem Recht.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Februar 2017.
Die 1988 geborene Klägerin zu 1 und ihre 2014 geborene Tochter, die Klägerin zu 2 (schwerbehindert mit Merkzeichen "H"), sind rumänische Staatsangehörige, ebenso wie der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 (im Folgenden nur: der Ehemann). Erstmals im Mai 2016 kam die Familie nach Deutschland, bezog eine Wohnung in A-Stadt und der Ehemann nahm zunächst eine bis 9. November 2016 währende abhängige Beschäftigung auf und ab Oktober 2016 eine weitere. Letztere wurde zum 10. Februar 2017 arbeitgeberseits wegen des Verdachts des Diebstahls fristlos gekündigt. Zwei Tage später zog der Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung aus und hielt sich nach Kenntnis der Klägerin zu 1 bei einem Bekannten in A-Stadt auf. Seit Mai 2017 soll der Ehemann wieder eine abhängige Beschäftigung ausüben. Er wohnt auch weiter in A-Stadt und besucht die Klägerinnen regelmäßig am Wochenende.
Am 20. Februar 2017 beantragten die Klägerinnen beim beklagten Jobcenter Leistungen zum Lebensunterhalt. Die Klägerin zu 1 gab an, seit 10. Februar 2017 von ihrem Ehemann getrennt zu leben.
Seit März 2017 erhält die Klägerin zu 2 Unterhaltsvorschussleistungen, zudem wird für sie laufend Kindergeld gezahlt. Am 22. März 2017 zogen in die Wohnung der Klägerinnen zwei Untermieterinnen, die für die Hälfte der Gesamtmiete aufkommen.
Am 6. März 2017 lehnte der Beklagte mündlich die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerinnen ab. Sie seien mangels Aufenthaltsrechts von Leistungen ausgeschlossen, weil sie rumänische Staatsangehörige und noch keine fünf Jahre in Deutschland seien. Auch habe der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet.
Gegen diese Ablehnung legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen am 3. April 2017 Widerspruch ein und beantragte am 19. April 2017 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Augsburg (Verfahren S 11 AS 433/17 ER). Zwar sei es richtig, dass der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet habe. Dennoch bestehe für sechs Monate ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht und davon abgeleitet ein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen als Familienangehörige. Die Trennung der Eheleute sei dafür unerheblich.
Mit Beschluss vom 8. Mai 2017 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.
Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. März 2017 wurde unter dem 12. Mai 2017 zurückgewiesen. Ergänzt wurde, das Bestehen einer Ehe sei nicht nachgewiesen. Das sei jedoch unerheblich, da der Ehemann ebenfalls kein Aufenthaltsrecht mehr besitze. Somit gebe es keine Person, von der die Klägerinnen ein Aufenthaltsrecht ableiten könnten.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen für diese am 6. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Auf die gegen den Beschluss des Sozialgerichts im Eilverfahren erhobene Beschwerde hin hat das Bayer. Landessozialgericht (Verfahren L 7 AS 424/17 B ER) mit Beschluss vom 11. Juli 2017 den Beklagten einstweilen verpflichtet, den Klägerinnen Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 19. April bis zum 31. Oktober 2017 zu bewilligen. Es wurde unter anderem ausgeführt, ob der vom Beklagten angenommene Leistungsausschluss greife und die Leistungsberechtigung der Klägerinnen deswegen entfalle, sei summarisch nicht abschließend zu beantworten. Die Klägerinnen könnten seit der Trennung kein Aufenthaltsrecht mehr vom Ehemann ableiten. Familienangehörige seien nur freizügigkeitsberechtigt, wenn sie einen Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Daraus sei abzuleiten, dass grundsätzlich eine gemeinsame Wohnung erforderlich sei. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 könne sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergeben. Höchstrichterlich sei aber nicht abschließend geklärt, ob der Leistungsausschluss für nicht ausreisepflichtige, nicht erwerbstätige Unionsbürger mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Die Entscheidung des Eufach0000000030s hat der Beklagte mit Bescheiden vom 24. Juli 2017 umgesetzt.
Mit Beschluss vom 23. August 2017 ist der örtliche Sozialhilfeträger zum Klageverfahren beigeladen worden.
In der mündlichen Verhandlung am 7. September 2017 hat der Beklagte den Klägerinnen im Weg...