Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung einer selbständigen von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem Anästhesiearzt
Orientierungssatz
1. Auch die Tätigkeit eines Arztes für ein Krankenhaus kann im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (hier: Anästhesie- und Notfallarzt).
2. Kann ein Arzt, der für ein Krankenhaus tätig wird und dazu einen Konsiliararztvertrag als Dienstleistungsvertrag mit diesem abgeschlossen hat, selbst entscheiden, wann er Dienste übernimmt und ist er bei der Dienstleistungserbringung weisungsfrei, so ist von der sozialrechtlichen Einordnung der Tätigkeit als selbständige Tätigkeit auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt während der Tätigkeit die organisatorischen Regeln des Krankenhauses einzuhalten hat, soweit sich diese nicht auf die fachliche Ausübung seiner Leistung beziehen.
3. Einzelfall zur Abgrenzung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen und einer selbständigen Tätigkeit bei einem Konsiliararztvertrag zwischen einem Arzt und einem Krankenhaus (hier: selbständige Tätigkeit bejaht).
Nachgehend
Tenor
I. Unter Aufhebung der Bescheide vom 13. März 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. August 2014 wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im Krankenhaus A. ab 7. Januar 2013 und im Krankenhaus A-Stadt ab 11. März 2013 eine selbständige Tätigkeit und keine abhängige Beschäftigung ist und nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), ob die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin in den Kliniken A. und A-Stadt seit 07.01.2013 bzw. seit 11.03.2013 in den Bereichen Notfallmedizin und Anästhesie als abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird sowie der Versicherungspflicht nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) unterliegt. Insoweit handelte es sich ursprünglich um zwei getrennte Klageverfahren, die nach § 113 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Az. S 2 R 954/14 miteinander zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.
Den Tätigkeiten liegt ein Konsiliararztvertrag vom Dezember 2012 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zugrunde. Demnach ist Vertragszweck, dass die Beigeladene im Fachgebiet Anästhesie und Notfallmedizin nach Absprache die vom Krankenhaus jeweils angeforderten konsiliarärztlichen Leistungen bei Patienten erbringt, die stationär und ambulant versorgt werden. Die Absprache zwischen Ärztin und Krankenhaus erfolge im gegenseitigen Einvernehmen. Die Beigeladene erbringe ihre Leistungen im Rahmen von Tagdiensten und auch im Rahmen des Bereitschaftsdienstes. Die genauen Einsatzzeiten seien von der Ärztin mit dem zuständigen Chefarzt abzustimmen. In § 2 des Vertrages wird festgelegt, dass die Ärztin ihre Leistungen selbständig und höchstpersönlich erbringt. Sie stehe weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis und sei in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. In § 3 ist geregelt, dass die Ärztin sich verpflichtet, die im Krankenhaus zur Anwendung kommenden organisatorischen Regelungen einzuhalten und sich hierbei an die Anweisungen und Vorgaben der Chefärzte hält. In § 4 wird eine Stundenvergütung festgelegt. In § 5 ist geregelt, dass die Tätigkeit der Ärztin im stationären Bereich und bei ambulanten Institutsleistungen durch die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses gedeckt sei.
Mit Bescheid vom 13.03.2014 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin im Fachgebiet Anästhesie und Notfallmedizin für die Klägerin im Krankenhaus A-Stadt seit dem 11.03.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Der Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:
Es bestehe die Verpflichtung, die Leistung persönlich zu erbringen, die Tätigkeit werde in einer fremd bestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt. Außerdem würden die Patienten durch den Auftraggeber zugewiesen und der Auftragnehmer unterliege dem Weisungsrecht des Chef- bzw. Oberarztes. Außerdem fände eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers statt und es werde eine gewinnunabhängige Vergütung auf Stundenbasis gezahlt. Außerdem liege der Tätigkeit kein eigener Kapitaleinsatz zugrunde, die Arbeits- und Betriebsmittel würden vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Auch das Forderungsmanagement gegenüber den Patienten erfolge allein durch den Auftraggeb...