Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Berechnung. Einkommen. Wechsel der Lohnsteuerklasse
Orientierungssatz
Wechseln Eltern in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes die Steuerklasse mit der Folge, dass der Elterngeld beanspruchende Elternteil ein höheres Nettoeinkommen bezieht als vor dem Steuerklassenwechsel, ist das höhere Nettoeinkommen bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Der Bescheid vom 2. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2008 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet das Elterngeld unter Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels im Dezember 2006 neu zu berechnen und zu verbescheiden. |
II. |
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Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. |
III. |
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Die Sprungrevision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des an die Klägerin zu zahlenden Elterngeldes. Die Klägerin ist die Mutter der ... 2007 geborenen Kinder L A und L C. Sie beantragte am 07.08.2007 die Gewährung von Elterngeld für die ersten beiden Monate nach der Geburt und die Monate 5 bis 14 der Kinder. Sie wechselte im Dezember 2006 die Lohnsteuerklasse von IV auf III. Dies begründete sie damit, dass sie damit eine gewisse Summe beim Lohnsteuerausgleich ansparen könne. Das Elterngeld unterliege dem Progressionsvorbehalt, so dass sich der steuerliche Prozentsatz erhöhe und eine Steuernachzahlung gedroht habe. Dies haben sie vermeiden wollen. Ein Wechsel der Lohnsteuerklasse sei erlaubt und im Elterngeldgesetz befände sich keine Regelung, die bestimme, dass sich das Nettoentgelt an eine bestimmte Lohnsteuerklasse richte.
Mit Bescheid vom 02.10.2007 wurde der Antrag bewilligt und ein Elterngeld in Höhe von 1330,77 EUR/mtl. gezahlt. Darin enthalten ist der Erhöhungsbetrag für das Zwillingskind von 300 EUR. Der Lohnsteuerklassenwechsel der Klägerin wurde nicht berücksichtigt. Das Elterngeld wurde nach der Lohnsteuerklasse IV berechnet.
Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Diesen begründete Sie damit, dass sie ein höheres Nettoentgelt habe, wenn ihr Mann keine Nachtschichten mache. Sie sei die besser Verdienende. Mit Bescheid vom 07.03.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, weil der Lohnsteuerklassenwechsel ohne nachvollziehbare Gründe erfolgt sei. Ein Wechsel allein um höheres Elterngeld zu beziehen sei rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin hat, durch ihren Bevollmächtigten, fristgerecht Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Im BEEG sei keine Regelung enthalten, wonach ein Wechsel der Lohnsteuerklasse nicht zulässig sei.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass für den Steuerklassenwechsel kein sachlicher Grund bestehe und dieser nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) damit gegen Treu und Glauben verstoße.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt:
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Der Bescheid des Beklagten vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2008, Az. ..., wird aufgehoben. |
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Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für die Lebensmonate 5 bis 14 ihrer Kinder jeweils Elterngeld in Höhe des ihr gesetzlich zustehenden monatlichen Betrages zuzusprechen, welcher sich aus ihrem unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III ergebenden Nettogehalt ergibt. |
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Den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. |
Der Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, dass die Grundsätze einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung - die auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zurückzuführen seien - anzuwenden sind. Ein schutzwürdiges Interesse für den Steuerklassenwechsel könne er nicht erkennen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2008 verletzt die Klägerin hinsichtlich der Heranziehung der Lohnsteuerklasse IV für die Berechnung des Elterngeldes in ihren Rechten und war daher aufzuheben.
Nach dem am 01.01.2007 in Kraft getretenen § 2 Abs. 1 BEEG (Bundeselterngeldgesetz) wird Elterngeld in Höhe von 67% des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die Summe der positiven Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach Maßgabe der Abs. 7 bis 9 zu berücksichtigen.
Gemäß § 2 Abs. 7 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Er...