Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. russische Invalidenrente für Blockadeopfer Leningrads. Vergleichbarkeit mit der Grundrente nach dem BVG
Leitsatz (amtlich)
1. Invalidenrenten russischer Staatsangehöriger, die nach russischem Recht aufgrund der Zugehörigkeit zum Personenkreis der "Blockadeopfer Leningrads" nach dem StaatsRentenG 2001 geleistet werden, stellen ebenso anrechnungsfreie Entschädigungszahlungen dar wie die an diesen Personenkreis bezahlten DEMO Renten.
2. Es kommt für die Anrechnungsfreiheit dieser Renten nicht darauf an, ob eine Invalidität gemäß § 30 BVG als Folge der Blockade im Einzelfall noch festgestellt werden kann.
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2011 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Grundsicherungsleistungen der Klägerin unter teilweiser Aufhebung der entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheide ab 1. November 2008 bis 31. Dezember 2010 ohne Anrechnung der staatlichen Invalidenrente als Einkommen neu zu berechnen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die am 1935 geborene Klägerin ist jüdische Emigrantin. Sie steht seit Jahren im Leistungsbezug bei der Beklagten.
Seit 01.02.2008 (Bescheid vom 28.10.2008) wird die damals noch in Russland bezahlte russische Altersrente als Einkommen angerechnet, allerdings ohne einen Anteil in Höhe von 500 Rubel, der der Klägerin als Überlebende der Leningrad-Blockade im Zweiten Weltkrieg vom Verteidigungsministerium bezahlt wird (sog. DEMO Rente).
Die letzte Bewilligung auf dieser Grundlage erfolgte mit Bescheid vom 06.10.2009 für die Zeit bis 31.03.2009.
Am 02.11.2009 legte die Klägerin eine Rentenbescheinigung vom 20.08.2009 vor, aus der sich ergibt, dass jedenfalls ab 01.11.2008 zusätzlich zur Altersrente eine staatliche Invalidenrente gezahlt wird. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass ihr diese aufgrund der Kriegshandlungen im Zweiten Weltkrieg (Leningrad-Blockade) gewährt werde.
Nach Anhörung erließ die Beklagte daraufhin am 16.12.2009 einen Änderungsbescheid, mit dem die seit 30.12.2008 ergangenen Bewilligungsbescheide für die Zeit ab 01.11.2008 bis 31.12.2009 unter Anrechnung der tatsächlich gezahlten Renten einschließlich der Invalidenrente aufgehoben wurde. Die sich hieraus ergebende Überzahlung in Höhe von insgesamt 2.593,60 € forderte sie von der Klägerin zurück.
Es folgte Korrespondenz mit der Klägerin, die Bescheinigungen aus Russland vorlegte, wonach ihr diese Rente gemäß Art. 18 des Bundesgesetzes über (Kriegs-) Veteranen als Kriegsveteranin des Zweiten Weltkriegs gewährt wird.
Die Beklagte vertrat hierzu die Auffassung, dass diese Leistungen nur entsprechend der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anrechnungsfrei bleiben könnten. Hierzu sei eine Feststellung des Grads der Beschädigung erforderlich. Im Übrigen seien für zusätzliche Aufwendungen aufgrund der Invalidität Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - (Mehrbedarf oder Pflegegeld) vorgesehen und ausreichend. Auch inländische Invalidenrenten (Erwerbsminderungsrenten) würden angerechnet (Schreiben vom 22.01.2010).
Nachdem die Klägerin mitteilte, dass sie die Überweisung der Rente nach Deutschland beantragt und daher vorübergehend keinen Zugriff auf diese habe, wurde die Anrechnung der Rente ab 01.04.2010 vorübergehend ausgesetzt (Bescheid vom 11.03.2010).
Mit Schreiben vom 15.09.2010 erläuterte die Klägerin die Hintergründe für die Zahlung der Invalidenrente aufgrund des "Föderativen Gesetzes" der Russischen Föderation vom 15.12.2001 mit der Nr. 166-FS. Diese erhielten lediglich Personen, die entweder Kriegsveteranen des Zweiten Weltkriegs seien oder die Auszeichnung als Überlebende der Leningrad-Blockade und zugleich die Behinderung des III., II. oder I. Grades nachweisen könnten. Sie selbst verfüge nach erfolgter Feststellung der Behinderung über eine Behinderungsstufe II und damit über die Voraussetzungen zum Bezug der staatlichen Invalidenrente. Diese diene zum Ausgleich eines aus dem Zweiten Weltkrieg entstandenen gesundheitlichen Schadens und sei mit dem Bundesversorgungsgesetz vergleichbar. Reguläre Erwerbsminderungsrenten würden nach einem anderen Rentengesetz bewilligt.
Sie legte zugleich Kontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass die Rente erstmals im Juni 2010 auf ihr Konto überwiesen wurde.
Die Beklagte erließ daraufhin am 23.09.2010 einen Änderungsbescheid, mit dem die quartalsweise erfolgten Rentenzahlungen jeweils auf das nachfolgende Quartal angerechnet wurden. Freigelassen wurde weiterhin nur der in Euro umgerechnete DEMO Rentenanteil von 500 Rubel.
Zugleich regte sie an, beim Versorgungsamt einen Antrag auf Feststellung einer Kriegsbeschädigung zu stellen.
Nachdem festgestellt wurde, dass versehentlich der Freibetrag von 15,00 € monatlich nicht berücksichtigt worden war, erließ sie am 25.10.2010 einen Änderungsbescheid unter Berücksichtigung des Freibetra...