Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bei verschlossenem Arbeitsmarkt

 

Orientierungssatz

1. Ein Versicherter, der nur noch Teilzeitarbeit in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten kann, darf auf Tätigkeiten für Teilzeitarbeit nicht verwiesen werden, wenn ihm für derartige Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist.

2. Davon ist dann auszugehen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch die zuständige Arbeitsagentur innerhalb eines Jahres seit Antragstellung einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz konkret benennen kann.

3. Die nach § 43 SGB 6 zu bewilligende Rente wegen voller Erwerbsminderung ist grundsätzlich nach § 102 Abs. 2 SGB 6 zeitlich zu befristen.

 

Tenor

I. In Abänderung des Bescheides vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2014 zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1974 geborene Klägerin hat den erlernten Beruf der Friseurin nie ausgeübt. Versicherungspflichtig war sie zuletzt als PC-Montiererin bzw. Packerin bis 05.07.2009 tätig. Seitdem ist sie arbeitsunfähig krank. Ein erster Rentenantrag vom Februar 2010 blieb ohne Erfolg. Eine von der Beklagten im September 2010 angebotene Maßnahme der medizinischen Rehabilitation hat die Klägerin nicht angenommen. Nach dem Schwerbehindertenrecht ist ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt.

Am 27.09.2010 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. S ... In seinem Gutachten vom 01.04.2010 bescheinigte er der Klägerin eine Migräne sowie eine Persönlichkeitsstörung und eine depressive Störung. Insgesamt sei sie jedoch noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein. Mit Bescheid vom 06.10.2010 lehnte die Beklagte daher den Antrag als unbegründet ab. Auf den Widerspruch der Klägerin führte sie eine weitere Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. R. durch. In seinem Gutachten vom 22.03.2011 bescheinigte dieser der Klägerin eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, eine aktuell remittierte rezidivierende depressive Störung sowie neben einer Migräne eine Adipositas bei erhöhter Kalorienzufuhr und eine essenzielle arterielle Hypertonie. Insgesamt hielt er die Klägerin für noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Schichtbedingungen und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und die Verantwortung vollschichtig auszuüben. Die Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 25.03.2011 zurück.

Ohne nähere Begründung erhob die Klägerin gegen diese Verwaltungsentscheidung Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die Kammer hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Der Hausarzt Dr. D. berichtet von arterieller Hypertonie, Zervikobrachialgie, somatoformer autonomer Funktionsstörung von Herz und Kreislauf sowie Spannungskopfschmerz. Eine Veränderung im Gesundheitszustand sei nicht erkennbar. Der behandelnden Nervenarzt Dr. E. hat mitgeteilt, dass die Klägerin seit September 2010 in monatlichen Abständen behandelt würde. Sie leide an Dysthymie, rezidivierend-depressiver Störung mittelschwerer Episode sowie Spannungskopfschmerz. Nunmehr hat das Gericht die Nervenärztin Dr. C. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. In ihrem Gutachten vom 29.06.2011 nennt sie folgende wesentliche Gesundheitsstörungen der Klägerin: Dysthymie, rezidivierend-depressive Störung gegenwärtig mittelgradig depressiver Episode, emotional instabile Persönlichkeitsstörung von Borderline-Typus, schizotypische Persönlichkeitsstörung DD paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis sowie klassische Migräne ohne Aura. Seit der Begutachtung durch Dr. R. sei es offensichtlich wieder zu einer Verschlechterung gekommen. Aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen könne die Klägerin zumindest seit der Untersuchung nur noch weniger als 6 Stunden täglich erwerbstätig sein.

Die Beklagte hat eingewandt, dass zwar den von Dr. C. festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zuzustimmen sei. Nicht gefolgt werden könne jedoch ihrer Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens, da bei der Klägerin zwar eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Beeinträchtigung, nicht jedoch eine dauerhafte Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens gegeben sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2010 zu verpflichten, der Klä...

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