Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bedarfsgemeinschaft. Mitgliedschaft der Stiefkinder. Begrenzung der Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters bei hilfebedürftigen Stiefkindern. Haushaltsgemeinschaft. Anwendung der Unterhaltsvermutung. Berechnung des Freibetrages
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Anwendung des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 ist nicht, dass es sich bei den betreffenden Kindern um leibliche Kinder beider Partner der Bedarfsgemeinschaft handelt.
2. Da "Eltern" iS von § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 aber nur die leiblichen Eltern bzw die Adoptiveltern, nicht aber die Pflege- oder Stiefeltern bzw der Partner eines Elternteils sind, scheidet ein umfassender Einsatz von Einkommen und Vermögen des Partners im Verhältnis zu hilfebedürftigen Stiefkindern aus. Für diese Auffassung spricht auch die gesetzliche Wertung im Unterhaltsrecht des BGB.
3. Da es sich bei der Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs 5 SGB 2 um eine spezielle Regelung handelt, erscheint es gerechtfertigt, diese im Verhältnis zu den allgemeinen Grundsätzen des § 7 Abs 3 SGB 2 iVm § 9 Abs 2 SGB 2 in "Stiefväterfällen" zur Anwendung zu bringen.
4. Zur Berechnung des Freibetrages nach § 1 Abs 2 AlgIIV.
Tatbestand
Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind seit dem 12. Dezember 2003 verheiratet. Sie leben gemeinsam mit den 5 leiblichen Kindern der Antragstellerin zu 1) in einem im Jahre 2004 neu gebauten Haus. Der Antragsteller zu 2) ist berufstätig, wobei sein Einkommen Schwankungen unterliegt. Er verdiente ausweislich der vorgelegten Verdienstabrechnung der E. GmbH im Januar 2005 2.293,23 Euro netto. Dieser Arbeitslohn ist dem Antragsteller zu 2) - was sich ebenfalls aus der Verdienstabrechnung ergibt - am vorletzten Arbeitstag des Monats ausgezahlt worden.
Die Antragstellerin zu 1) erhielt von der Stadt F. bis Ende Dezember 2004 für ihre Kinder G., H., I. und J. laufende Leistungen zum Lebensunterhalt aus Mitteln der Sozialhilfe in Höhe von zuletzt 1.043,12 Euro. Für das fünfte Kind der Antragstellerin zu 1), K., geb. am 19.06.1997, wurde in der Vergangenheit keine Sozialhilfe gezahlt, weil ihm zur Sicherung seines Unterhaltes neben dem Kindergeld auch Unterhaltsleistungen seitens seines leiblichen Vaters zur Verfügung standen, die auch weiterhin erbracht werden.
Mit einem am 12. Oktober 2004 bei der Antragsgegnerin eingegangen formularmäßigen Antrag begehrte die Antragstellerin zu 1) für ihre Kinder laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag unter dem 16. Dezember 2004 mit der Begründung ab, dass das Einkommen den Bedarf übersteige. Auf die diesem Bescheid beigefügte Berechnung wird Bezug genommen. Der hiergegen am 20. Dezember 2004 eingelegte Widerspruch ist bislang noch nicht beschieden.
Mit ihrem am 8. Januar 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag begehren die Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Sie vertreten die Auffassung, dass die Antragsgegnerin - ebenso wie der früher zuständige Sozialhilfeträger - verpflichtet sei, laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere für ihre Kinder (mit Ausnahme von K.) zu gewähren. Die Auffassung der Antragsgegnerin, das bei der Bedarfsberechnung das Einkommen des Antragstellers zu 2) in vollem Umfang zu berücksichtigen sei, sei fehlerhaft. Der Antragsteller zu 2) sei der Stiefvater der fünf minder-jährigen Kinder der Antragstellerin zu 1), so dass ihm sei daher zumindest ein Selbstbehalt zuzubilligen sei. Die Familie sei aus wirtschaftlichen Gründen nach wie vor auf ergänzende Hilfe angewiesen.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihrer Familie laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie vertritt die Rechtsauffassung, dass eine dem früheren § 16 BSHG entsprechende Privilegierung von Stiefvätern in dem neuen SGB II nicht enthalten sei. Dies habe zur Folge, dass das gesamte Einkommen des Stiefvaters, hier also des Antragstellers zu 2), bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen sei. Die Antragstellerin zu 1), der Antragsteller zu 2) und die 5 minderjährigen Kinder der Antragstellerin zu 1), die alle gemeinsam in einem Haushalt leben, gehörten alle zu einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 SGB II.
Im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin eine Neuberechnung vorgenommen und den Antragstellern für die Monate Januar und Februar 2005 jeweils einen Betrag als laufende Leistungen nach dem SGB II in Höhe von jeweils 305,99 Euro bewilligt. Auf die diesbezügliche neue Bedarfsberechnung wird Bezug genommen. Die Neuberechnung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin für die beiden Monate die ursprünglich als Einkomm...