Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Kosten einer Begleitperson für eine Gemeinschaftsreise
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nach §§ 53 ff SGB XII iVm § 58 SGB IX Leistungen für Gemeinschaftsreisen in Form der Übernahme der Kosten für eine private Begleitperson in angemessener Höhe beansprucht werden.
2. Für die Annahme einer Gemeinschaftsreise in diesem Sinne ist es erforderlich, dass der Reise in der Planung ein Gemeinschaftsanteil im Sinne der Begegnung von behinderten und nicht behinderten Menschen innewohnt.
3. Es ist dabei nicht erforderlich, dass ein zuvor erstelltes sozialpädagogisches Konzept einer Reise vorliegt (wohl aA SG Düsseldorf vom 12.11.2010 - S 17 SO 109/09 = SAR 2011, 40).
Tenor
1. Der Bescheid vom 16.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2012 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger 899 € an Leistungen der Eingliederungshilfe anlässlich einer F. -Reise vom 09.05. bis 14.05.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII) anlässlich einer Reise nach F. im Jahre 2012.
Der Kläger ist am G. 1988 geboren und lebt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in H.. Er leidet seit seiner Geburt an einer schweren Muskelerkrankung und einer Kollagenstörung mit Überdehnbarkeit der Haut (Ehlers-Danlos-Syndrom). 1992 stellte das zuständige Landesamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 fest und zuerkannte die Merkzeichen “G„, “aG„, “H„ und “B„. Ebenfalls ist beim Kläger die Berechtigung zum Bezug der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III anerkannt. Der Kläger braucht umfängliche Hilfen im alltagspraktischen Bereich. Er nutzt einen selbstfahrenden Rollstuhl und ist bereits wegen dieser Einschränkung auf umfängliche Hilfe im Alltagsbereich bzw. in der Bewältigung der alltäglichen Anforderungen angewiesen. Der Kläger lebte im streitigen Zeitraum im Haushalt seiner früheren Pflegeeltern. Er ist Mitglied einer christlichen Gemeinschaft und engagiert sich im Rahmen dieses christlichen Hintergrundes umfänglich. Diese christliche Gemeinschaft, der der Kläger zugehörig ist, hat ein europaweites Zentrum in F.. Die christliche Gemeinschaft führte jährliche Zusammenkünfte in der Art eines “Kirchentages„ in F. mit ca. 10.000 bis 20.000 Teilnehmern durch. Der Kläger besuchte jedenfalls 2010 und später diese Zusammenkünfte in F. einmal im Jahr.
Auf einen diesbezüglichen Antrag erhielt der Kläger mit Bescheid vom 21. Dezember 2009 die Kosten einer Begleitperson für eine F.-Reise zu einer solchen christliche Zusammenkunft bzw. christlichen Konferenz bewilligt. Gleichermaßen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. November 2010 diese Kosten auf neuerlichen Antrag des Klägers im Folgejahr.
Der Kläger erhält zuletzt aufgrund des Bescheides vom 6. März 2012 ein persönliches Budget zur “Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft„ vom Beklagten in Höhe von 365,-- € im Jahre 2012. Dieses Geld soll die Kosten der behinderungsbedingt notwendigen Begleitung des Klägers bei Freizeitaktivitäten abdecken. Sie basieren darauf, dass 34 Stunden pro Monat zu einem Stundensatz von 7,50 € angesetzt werden zuzüglich 110,-- € Sachkosten für die Begleitperson (100,-- € Fahrtkostenpauschale sowie 10,-- € weitere Kostenpauschale).
Am 7. März 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten weitere Leistungen der Eingliederungshilfe für eine neuerliche Fahrt nach F.. Diese Kosten bezifferte er vorläufig in Höhe von Betreuungskosten an 6 Tagen mit jeweils 80,-- €, Fahrtkosten in Höhe von 150,-- €, Kosten für die Nutzung des Eurotunnels in Höhe von 80,-- € sowie Unterbringungskosten für 5 Nächte in Höhe von 400,-- €. Er erläuterte mit seinem Antrag, dass er “einmal rauskommen wolle„ und die Metropole F. besuchen wolle. Mit in diesem Verfahren streitigem Bescheid vom 16. April 2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil eine Reise für den Kläger nicht wegen fehlender Außenkontakte erforderlich sei. Der Kläger engagiere sich in bekannter Weise vielfältig und agiere auch ohne Reise nach F. mit anderen auch nicht behinderten Menschen. In seinem Widerspruch vom 30. April 2012 legte der Kläger dar, er wolle insbesondere eine Weltstadt vertieft kennenlernen, eine fremde Sprache in einer diesbezüglichen Heimatnation vertiefen und vor allem zahlreiche Bekannte in F. treffen. Er erläuterte, dass es ihm nicht um seine eigene Reisekosten mit dem Antrag gehe, sondern alleine um die Kosten der Begleitperson. Diese sei behinderungsbedingt erforderlich.
Mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 23. August 2012 w...