Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. besondere Härte. Übertragung des Hausgrundstücks von den Eltern gegen Übernahme einer Altenteilsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung eines mit einem Wohnrecht belasteten Hauses kann eine besondere Härte iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 sein, wenn neben der Einräumung eines Wohnrechts eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung zugunsten der das Objekt zuvor besitzenden Eltern übernommen wurde (sog Altenteilsrecht).
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.08.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die im Zeitraum 01.07.2007 bis 31.12.2007 darlehensweise gewährten Leistungen als Zuschuss zu bewilligen.
3. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten und dem Land Niedersachsen die Kosten für das Sachverständigengutachten des Gutachterausschusses beim GLL zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren sind.
Der Kläger steht seit dem 01.01.2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Nach dem der Beklagte ihm mit mehreren Bescheiden zunächst entsprechende Leistungen bis einschließlich 30.06.2007 als Zuschuss gewährt hatte, lehnte er den Folgeantrag des Klägers vom 21.05.2007 mit Bescheid vom 29.08.2007 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger verfüge über ein als Vermögen zu berücksichtigendes Haus, das vorrangig zu verwerten sei.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks "G. " in der Gemarkung H., I.. Bei dem Grundstück handelt es sich um ein 4.250 qm großes Objekt, das mit einem Zweifamilienwohnhaus sowie mehreren Nebengebäuden bebaut ist. Die Wohn- und Nutzfläche beträgt 262 qm.
Im weiteren Verlauf bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07.08.2008 für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2007 SGB II-Leistungen als Darlehen.
Der Kläger legte gegen die Ablehnung des Leistungsantrages Widerspruch ein, der nicht weiter begründet wurde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2009 als unbegründet zurück und führte aus, dass es sich bei dem Hausgrundstück des Klägers nicht um sogenanntes Schonvermögen handele, da das Haus nicht von angemessener Größe sei. Lediglich aufgrund der Tatsache, dass derzeit eine Verwertung nicht möglich sei, seien Leistungen auf Darlehensbasis gewährt worden.
Mit der dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, er habe das Grundstück im Jahre 1994 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinen Eltern übertragen bekommen. Im Gegenzug habe er seinem schwerbehinderten Bruder J. sowie seinen Eltern ein lebenslanges Wohnrecht einzuräumen gehabt. Auch habe er zur Abfindung eines Erb- und Pflichtteilsanspruchs seinen Geschwistern insgesamt 26.000,-- DM auszahlen müssen. Der Kläger ist der Auffassung, das Grundstück sei nicht verwertbar bzw. die Verwertung sei nicht zumutbar, insbesondere weil der Leistungsbezug nur bis 31.03.2008 angedauert habe, da der Kläger seit dem 01.04.2008 wieder erwerbstätig sei. Mittlerweile sei er infolge eines Arbeitsunfalls aber nicht mehr in der Lage seinen Beruf auszuüben, sei wiederum arbeitslos und beziehe derzeit Arbeitslosengeld I.
Aus dem in Kopie vorliegenden Übertragungsvertrag vom 01.07.1994 (Urkundenrolle Nr. K. des Notars L. in M.) ergeben sich die vom Kläger vorgetragenen Wohnrechte. Ferner heißt es dort unter Ziffer 2: “Der Erwerber verpflichtet sich hiermit, bei seinen Eltern in dem von ihm noch zu errichtenden Anbau wohnen zu bleiben, ihnen stets treu zur Seite zu stehen, sie zu hegen und zu pflegen, besonders in kranken Tagen und für ihre ärztliche Betreuung und für die Beschaffung der erforderlichen Arzneimittel zu sorgen. Im Falle der Gebrechlichkeit und Krankheit sind die Eltern so zu pflegen, wie es ihr Gesundheitszustand erfordert. Ferner verpflichtet sich der Erwerber, die von den Eltern im Hause “G.„ in H. bewohnten Räume zu reinigen und zu putzen, soweit sie hierzu aus Alters- bzw. Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage sind. Die vorstehende Pflegeverpflichtung entfällt, wenn die Eltern auf eigenen Wunsch oder aufgrund ärztlicher Anordnung in einem Altenheim, Pflegeheim oder Krankenhaus untergebracht werden.„.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2007 zuschussweise an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat ein Gutachten des “Gutachterausschusses für Grundstückswerte„ bei der Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften (GLL) in M. zum Wert und zur Verwertbarkeit des Grundstücks “G., Gemarkung H. in I.„ eingeholt. Danach sei das Objekt auch mit den Wohnungsrechten veräußerbar, allerdings unter Berücksi...