Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Betriebshilfe wegen Todes eines Landwirts. Selbstbeteiligung. Einkommensberechnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Berechnung der Selbstbeteiligung für eine Betriebshilfe an den überlebenden Ehegatten wegen Todes eines Landwirts sind die Einkünfte des verstorbenen Landwirts mit zu berücksichtigen.

2. Die Selbstbeteiligungsregelung des § 37 Abs 3 ALG iVm § 69 der hierzu erlassenen Richtlinien des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen ist verfassungsgemäß; sie verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.09.2004; Aktenzeichen B 10 LW 1/04 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die gesetzlich vorgesehene Selbstbeteiligung für die ihr gewährte Betriebshilfe.

Der Ehemann der Klägerin, H., war Inhaber eines buchführungspflichtigen landwirtschaftlichen Betriebes. Er verstarb am 01.04.2003. Die Klägerin beantragte deshalb bei der Beklagten am 14.04.2003 Betriebshilfe für den Einsatz einer selbstbeschafften, ab dem 01.04.2003 eingesetzten Ersatzkraft zu einem Stundensatz in Höhe von 8,75 Euro. Auf Anforderung der Beklagten erklärte die Klägerin zudem, sie werde den landwirtschaftlichen Betrieb ihres verstorbenen Ehegatten bis auf weiteres weiter bewirtschaften. Ferner legte sie den letzten Einkommensteuerbescheid der gemeinsam veranlagten Eheleute vom 04.07.2002 für das Veranlagungsjahr 2000 vor. Der Steuerbescheid des Finanzamtes I. weist Einkünfte des Ehemannes aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von insgesamt 155.692,- DM (entspricht 79.604,06 Euro) aus; für die Klägerin wurden keine Einkünfte festgestellt.

Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 19.06.2003 für die Zeit ab dem 01.04.2003 für zwölf Monate Betriebshilfe gegen eine Selbstbeteiligung in Höhe von 4,90 Euro pro erstattungsfähiger Arbeitsstunde der Ersatzkraft. Die Leistung könne innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach dem Todestag des Verstorbenen in Anspruch genommen werden. Die Beklagte legte hierbei für die Berechnung der Selbstbeteiligung ein Einkommen der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 79.604,06 Euro zugrunde. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Widerspruch und wandte sich gegen die Festlegung der Selbstbeteiligung. Zum einen sei aufgrund des Gesetzeswortlautes des § 37 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und nach § 69 der hierzu erlassenen Richtlinien des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen (im Folgenden: RGLA) nur auf das Einkommen des Leistungsberechtigten abzustellen. Ausgehend vom Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 ergebe sich damit für die Klägerin jedoch ein Einkommen von 0,00 DM. Es bestehe deshalb keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Selbstbeteiligung. Außerdem sei die Festlegung einer Selbstbeteiligung verfassungswidrig. Die Leistung "Betriebs- und Haushaltshilfe" stelle eines der wichtigsten sozialen Sicherungsmittel für die Landwirtschaft dar. Die von der Alterskasse nunmehr erstatteten Beträge für die Betriebshilfe deckten die tatsächlichen Aufwendungen in keiner Weise. Die Selbstbeteiligung vom ersten Tag des Einsatzes an gelte ausschließlich für Todesfälle. Weder bei einem Einsatz zu Lasten der landwirtschaftlichen Krankenkasse (Krankheit, Schwangerschaft), noch der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle), noch der landwirtschaftlichen Alterskasse selbst (z. B. Rehabilitation) existierten vergleichbare Regelungen. Der Gesetzgeber habe deshalb bei der Änderung des § 37 Abs. 3 ALG willkürlich gehandelt und die Interessen der Versicherten einseitig unberücksichtigt gelassen. Hiermit sei gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen worden, denn Witwen würden nach dem Tod ihres Partners zusätzlich grundlos benachteiligt, obwohl sie den landwirtschaftlichen Betrieb in vollem Umfang weiter führten und entsprechend Beiträge an die Beklagte entrichteten.

Die Beklagte hob im Widerspruchsverfahren zunächst mit Bescheid vom 12.08.2003 den Bescheid vom 19.06.2003 auf und bewilligte der Klägerin für die Zeit ab 01.04.2003 unter den gleichen Bedingungen wie im ursprünglichen Bescheid Betriebshilfe gegen eine Selbstbeteiligung in Höhe von nunmehr 4,30 Euro pro erstattungsfähiger Arbeitsstunde der Ersatzkraft, da der errechnete Betrag der Selbstbeteiligung höchstens 50 % der entstehenden Aufwendungen betragen darf (§ 37 Abs. 3 2. Halbs. ALG). Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003 gab die Beklagte dann dem Widerspruch der Klägerin insoweit statt, als die Selbstbeteiligung für die Zeit ab 01.04.2003 mit 4,30 Euro pro erstattungsfähiger Arbeitsstunde der Ersatzkraft festgesetzt wurde. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte u.a. darauf, das für die Höhe der Selbstbeteiligung maßgebliche Einkommen sei nach der für den Beitragszuschuss maßgebenden Regelung des § 32 ALG zu ermitteln. Mit der Überna...

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