Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.11.2022; Aktenzeichen B 5 R 112/22 B)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1970 geborene Kläger hat am 28.06.2013 bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt. Die Beklagte hat den Kläger während des Verwaltungsverfahrens und des Widerspruchsverfahrens umfangreich begutachten lassen. Medizinische Sachverständigengutachten haben erstattet:

Dr. N., Facharzt für Allgemeinmedizin (Gutachten vom 28.01.2014)

Dr. F., Fachärztin für Psychiatrie (Gutachten vom 14.02.2014)

Dr. J., Fachärztin für Neurologie (Gutachten vom 19.11.2014).

Letztere hatte eine augenärztliche Begutachtung des Klägers empfohlen, welche die Beklagte jedoch nicht durchführen ließ.

Die Beklagte hat eine Rentengewährung mit Bescheid vom 20.02.2014 und Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 abgelehnt. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte ausgeführt, dass eine nochmalige Überprüfung durch die ärztlichen Sachverständigen ergeben habe, dass der Kläger noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte bis mittelschwere Arbeiten, die nicht mit Nachtschicht, Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Fahrtätigkeiten verbunden sind, mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die allgemeinen Einschränkungen für Sehbehinderte seien zu beachten.

Diese Beurteilung des Leistungsvermögens beruhe auf den vorhandenen Befundunterlagen, der allgemeinärztlichen und neurologisch-psychiatrischen Begutachtung vom 27.01.2014 und 14.02.2014, den augenärztlichen Befundberichten und auch auf dem Ergebnis der während des Widerspruchsverfahrens zur weiteren Klärung des medizinischen Sachverhalts am 06.11.2014 durchgeführten neurologisch-psychiatrischen Untersuchung, die folgende Diagnosen ergeben habe:

- Somatisierungsstörung;

- Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion;

- Sehminderung bei Optikusatrophie;

- Zustand nach Amputation des Daumens links am 30.03.2013.

Soweit der Kläger den Rentenanspruch auf die erhebliche Sehbehinderung bei Optikusatrophie stütze, werde darauf hingewiesen, dass diese erstmals im September 2013 diagnostiziert wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht mehr erfüllt. In dem maßgebenden Fünf-Jahreszeitraum vom 25.09.2088, bis 24.09.2013 (Erstdiagnosen) sind nur 33 anstelle der erforderlichen 36 Pflichtbeiträge gezahlt.

Da der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen - ohne Berücksichtigung der Sehbehinderung - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bis zum 30.06.2018 (Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein konnte, liegt bis dahin weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor (§ 43 SGB VI).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage vom 13.02.2015. Die Bevollmächtigte des Klägers hat mit der umfangreichen Klagebegründung vom 07.01.2016 zunächst den beruflichen Werdegang des Klägers dargelegt, unter anderem ausgeführt, dass der Kläger sich an einer Tischkreissäge einen Teil des linken Daumens komplett abgesägt habe. Die Beklagte habe insbesondere die erhebliche Sehbehinderung bei Optikusatrophie nicht berücksichtigt. Das Gutachten der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung sei nicht verwertbar. Die gesamte Untersuchung sei von einer Weiterbildungsassistentin der Praxisklinik durchgeführt worden. Die unterzeichnende Ärztin sei nur am Schluss der Untersuchung für maximal fünf Minuten anwesend gewesen. Eine sachgerechte Begutachtung sei unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen. Wichtige Gesichtspunkte sei unter anderem die Eigenverantwortlichkeit und die Kompetenz des Gutachters. Der Kläger leide an einer Erkrankung der Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen). Eine Mutation im OPA1-Gen sei durch eine molekulargenetische Untersuchung nachgewiesen worden und führe zu einer autosomal-dominant erheblichen Optikusatrophie. Die Auswirkungen dieser mitochondrialen Myopathie hat die Bevollmächtigte näher beschrieben. Die Bevollmächtigte hat sodann die einzelnen Erkrankungen bzw. Behinderungen des Klägers beginnend mit a) traumatische totale Daumenamputation links bis j) Verdacht auf Optikusatrophie-plus-Syndrom näher aufgelistet und beschrieben. Auf diese umfangreichen Ausführungen sei hier verwiesen.

Die Bevollmächtigte hat folgenden Klageantrag gestellt:

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 SGG). Er ist daher aufzuheben und dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Be...

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