Tenor

I. Der Bescheid vom 05.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2019 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die gewährte große Witwenrente unter Berücksichtigung von 4 x 0,5 Entgeltpunkten (Mütterrente II) neu zu berechnen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Neuberechnung der von der Beklagten gewährten großen Witwenrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung nach § 307d Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB VI (sog. Mütterrente II).

Die Klägerin und ihr Ehemann J. haben im August 1958 die Ehe geschlossen. Aus dieser Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, nämlich:

- S., geb. 1959

- A., geb. 1960

- E., geb. 1962

- R., geb. 1971

Die Beklagte hat Herrn J. P. mit Bescheid vom 19.03.1989 ab 01.03.1989 Altersruhegeld gewährt. Aus dem Versicherungsverlauf (Anlage 2 zum Bescheid vom 19.03.1989) ist zu entnehmen, dass für Herrn J. P. jeweils 12 Monate Kindererziehungszeit für vier Kinder berücksichtigt worden sind. Grundlage hierfür war eine gemeinsame Erklärung der Klägerin und von Herrn J. P. über die Zuordnung der Erziehungszeiten zu Herrn J. P. (übereinstimmende Erklärung). Die Klägerin hat dies auf dem Formular V0800 am 22.06.2017 bestätigt (vgl. Blatt 23 ff. Beklagtenakte).

Außerdem hat die Klägerin sich die zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlten Beiträge erstatten lassen (Bescheid der Beklagten vom 23.05.2000, vgl. Widerspruchsbescheid vom 03.06.2019, Seite 3 drittletzter Absatz und Blatt 53 Beklagtenakte).

Mit dem Rentenbescheid vom 16.08.2014 hat die Beklagte die Regelaltersrente von Herrn J. P. unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung (sog. Mütterrente) neu berechnet. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung betrug für vier Kinder 4,00 Entgeltpunkte.

Im Mai 2017 ist Herr J. P. verstorben. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 26.06.2017 große Witwenrente ab 01.06.2017.

Mit Schreiben vom 02.04.2019 beantragte die Klägerin den Zuschlag zur sog. Mütterrente II nach § 307d SGB VI für die Zeit ab 01.01.2019. Die Beklagte fasste diesen Antrag als Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X auf. Mit Bescheid vom 05.04.2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aus dem Bescheid ist nicht zu entnehmen, welcher rechtswidrige Bescheid nach § 44 SGB X überprüft wurde. Zur Begründung der ablehnenden Entscheidung wurde ausgeführt, dass mit Bescheid vom 26.06.2017 die Berücksichtigungszeiten für den 24. Kalendermonat nach Geburt der Kinder S., A., E. und R. abgelehnt worden seien. Diese Ablehnung sei erfolgt, weil der Antrag vom 22.06.2017 auf Anrechnung der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung beim Vater nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Erklärungsfrist gestellt worden sei. Zwar sei am 08.09.1987 eine Erklärung über die überwiegende Erziehung der Kinder durch den Vater vor dem 01.01.1986 gem. § 249 Abs. 6 SGB VI in der Fassung bis 01.12.1997 abgegeben worden. Diese erkläre jedoch nur die Zuordnung der Kindererziehungszeiten für die ersten 12 Kalendermonate nach der Geburt. Für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten für die Zeit ab 13. Kalendermonat nach Geburt entfalte diese Erklärung jedoch keine Wirkung.

Gegen den Bescheid vom 05.04.2019 legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.04.2019 Widerspruch ein. Sie berief sich im Rahmen der Widerspruchsbegründung auf die Sonderregelung des § 307d Abs. 1 Satz 4 SGB VI. Hierauf sei im Bescheid vom 05.04.2019 leider nicht eingegangen worden.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 03.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung der ablehnenden Entscheidung legte sie zunächst die gesetzlichen Voraussetzungen von § 307d Abs. 1 S. 3 SGB VI dar. Sie wies darauf hin, dass zum 01.07.2014 eine Zuschlagsermittlung aufgrund der sogenannten Mütterrente I, welche sich an der Zuordnung des 12. Kalendermonats der Kindererziehung orientiert habe, erfolgt sei. Die Bewilligung eines Zuschlags aufgrund der Einführung der sogenannten Mütterrente II orientiere sich hingegen daran, ob für den 24. Kalendermonat der Erziehung eine Kinderberücksichtigungszeit in der Rente enthalten sei. Dies sei in der Witwenrente nicht der Fall.

Außerdem legte die Beklagte die Voraussetzungen für die Anwendung von Tatbestandsmerkmalen des § 307d Abs. 1 Satz 4 SGB VI dar.

Hierzu sei auszuführen, dass in dem eigenen Versicherungskonto grundsätzlich ein Anspruch darauf bestehe, dass die Kinderberücksichtigungszeit nach Ablauf von 12 Kalendermonaten nach der Geburt vorgemerkt werden würden. Die Klägerin erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür.

Dies gelte übrigens auch für die ab 01.01.2019 zusätzlich anrechenbaren sechs Kalendermonate Kindererziehungszeit. Es sei nicht relevant, ob die Klägerin eine Anerkennung dieser Zeiten tatsächlich beantragt habe oder die Anerkennung dieser Zeiten letztendlich anspruchsbegründend wären.

Die Klägerin habe sich ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid vom 23.05.2...

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