Entscheidungsstichwort (Thema)
Angelegenheiten nach dem SGB II
Tenor
I. Der Bescheid vom 23.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2016 betreffend die Feststellung einer Minderung des Arbeitslosengeldes II der Klägerin im Zeitraum 01.06.2016 bis 31.08.2016 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 23.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2016 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 01.06.2016 bis 31.07.2016 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 109,20 € monatlich zu bezahlen.
III. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit einer Sanktion wegen der Aufgabe einer selbst gesuchten Tätigkeit der Klägerin durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages.
Die 1961 geborene Klägerin steht, in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 1956 geborenen Ehemann, im laufenden Bezug von ergänzenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) beim Beklagten. Ab 01.02.2016 war sie in der Pension F., Inh. S., als Zimmermädchen und Frühstückskraft sozialversicherungspflichtig zu einem Bruttomonatslohn von 510,00 € (netto 406,85 €) beschäftigt, was sie dem Beklagten am 11.02.2016 mitteilte. Daneben ging sie (weiter) einem Minijob in einem Privathaushalt nach.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann - wegen schwankenden Einkommens vorläufig - Leistungen für den Zeitraum von 01.02.2016 bis 31.07.2016.
Am 04.04.2016 schlossen der Zeuge S. und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag bezüglich des Arbeitsverhältnisses rückwirkend zum 31.03.2016. Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin zu einer Sanktion für drei Monate in Höhe von 30 % der Regelleistung wegen der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht.
Am 04.05.2016 teilte die Klägerin mit, ab 01.05.2016 einen Minijob zu einem Bruttolohn in Höhe von maximal 330,00 € als Reinigungskraft in der Pension A. in U. aufgenommen zu haben. Mit Änderungsbescheid vom 20.05.2016 berücksichtigte der Beklagte höhere Heizkosten und nahm das Einkommen der Klägerin aus der Tätigkeit bei Pension F. ab Mai 2016 aus der Berechnung. Stattdessen rechnete er ab Mai 2016 vorläufiges Einkommen der Klägerin in Höhe von 330,00 € bei der Pension A. an.
Mit Bescheid vom 23.05.2016 stellte der Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldes II der Klägerin für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 31.08.2016 in Höhe von 30 % des Regelbedarfs fest, mithin in Höhe von monatlich 109,20 €. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe trotz Kenntnis der Rechtsfolgen ihr Beschäftigungsverhältnis mit der Pension F. einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag beendet. Einen wichtigen Grund habe sie nicht angegeben. Die Sanktion stütze sich daher auf § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II. Mit Änderungsbescheid ebenfalls vom 23.05.2016 setzte der Beklagte die Sanktion für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 31.07.2016 leistungsrechtlich um.
Die Klägerin legte am 25.05.2016 gegen die Sanktion vom 23.05.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, das Beschäftigungsverhältnis sei deshalb aufgehoben worden, weil Frau C., die Ehefrau des Zeugen S., sie nicht mehr habe beschäftigen wollen. Zudem habe sie ab 01.05.2016 eine neue Beschäftigung bei Landhaus A. aufgenommen und bemühe sich auch sonst ständig um eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung. Auch sei eine Anhörung zu der Sanktion nicht erfolgt. Am 07.06.2016 erfolgte eine ergänzende Begründung des Widerspruchs seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Sie führte aus, dass es zwar zutreffend sei, dass das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gelöst worden sei. Jedoch sei der Klägerin bereits zuvor mündlich gekündigt worden. Auch wenn eine mündliche Kündigung nicht wirksam sei, komme darin der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, an dem Arbeitsverhältnis nicht mehr festzuhalten. Eine ordentliche Kündigung hätte unproblematisch ausgesprochen werden können; in der Pension F. seien weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, weshalb das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Damit sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin unvermeidbar gewesen. Die Kündigungs- bzw. Aufhebungsgründe seien unbekannt; die Klägerin vermute, dass es eigentlich nicht genug Arbeit gegeben habe, um sie sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. Sie habe daher teilweise im Privathaushalt der Inhaber arbeiten oder eher sinnlose Arbeiten im Malergeschäft verrichten müssen. Die Klägerin habe weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten, noch habe der Arbeitgeber seine Pflichten aus dem Nachweisgesetz erfüllt. Der Klägerin sei mündlich zugesagt worden, dass sie jeden zweiten Sonntag frei habe; tatsächlich habe sie aber jeden Sonntag arbeiten müssen. Es habe "nicht gepasst"; die Klägerin gehe davon aus, dass es auch der Arbeitgeberin so gegangen sei. ...