Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) als möglicher Impfschaden. ursächlicher Zusammenhang. Vollbeweis. Unstimmigkeiten in ärztlichen Befundberichten. Nebenwirkung von Aluminiumverbindungen oder Thiomersal
Leitsatz (amtlich)
1. Unstimmigkeiten der ärztlichen Befundberichte über den Beginn der Beschwerden hindern den notwendigen Vollbeweis einer Impfkomplikation.
2. Zwischen einer Impfung mit FSME-immun® und dem Auftreten einer chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP) besteht kein hinreichender Zusammenhang für die Annahme eines Impfschadens.
3. Die Verursachung eines Impfschadens durch Aluminiumverbindungen oder Thiomersal entspricht nicht der herrschenden wissenschaftlichen Meinung.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2014 wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die Gewährung von Entschädigung nach dem Bundesseuchengesetz/Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Anspruch.
Die Klägerin wurde am 06.06.2005 gegen Frühsommer-Menigoencephalitis (FSME) mit dem Medikament FSME-immun(r) sowie gegen Poliomyelitis, Diphtherie und Tetanus mit dem Kombinationsimpfstoff Revaxis(r) geimpft. Eine weitere FSME Impfung mit dem gleichen Wirkstoff erfolgte am 21.07.2005. Die Impfung gegen Poliomyelitis mit IPV Merieux(r) und Diphtherie mit dem Diphtherie-Adsorbat-Impfstoff Behring für Erwachsene(r) erfolgte am 29.09.2005.
Ein Antrag auf Versorgung wurde am 16.05.2013 bei einem Außensprechtag des Zentrum Bayern Familie und Soziales gestellt. Der Beklagte nahm den Impfausweis in Kopie und die Bescheinigung des Impfarztes Dr. R., vom 23.05.2013 zu den Akten, aus der sich die Medikamente und Chargennummern der Impfungen am 06.06.2005 und 21.07.2005 ergeben.
Dr. S., Fachärztin für Orthopädie - Rheumatologie, K., erstattete unter dem 27.08.2013 einen Befundbericht. Informiert wurde von der Vorstellung der Klägerin am 20.02.2006. Die Klägerin klage seit 2 Wochen über ein Taubheitsgefühl beider Großzehen. Zehenspreizen gelinge nicht mehr. Sie können nicht mehr richtig gehen, was auch im Untersuchungsbefund beschrieben wird. Sie habe auch Wadenschmerzen, wie Muskelkater. Seit zwei bis drei Wochen bestünden auch Parästhesien der Hände.
Am 07.11.2013 wurde die Klägerin im Auftrag des Beklagten vom Facharzt für Neurologie und Sozialmedizin B. begutachtet. Nach dem Gutachten vom 11.11.2013 ließen sich keine abnormen Impfreaktionen ableiten. Die primären Angaben der Klägerin stünden im deutlichen Widerspruch zu denen im Rahmen der Untersuchung bei der Erstbehandlung im Krankenhaus H.W. B. Bei der Klägerin falle beim Studieren der Krankenkassenauszüge auf, dass sie seit Jahren an einer Neigung zu Infektionen leide. Bei der Klägerin seien Ersterscheinungen erst im Januar 2006 aufgetreten, somit mit einer Inkubationszeit von einigen Monaten. Ein kausaler Zusammenhang der FSME-Impfungen mit derzeit vorliegender chronischer inflammatorischen demyelinisierender Polyneuropathie können mit notwendiger Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Zu dem Gutachten erfolgten versorgungsärztliche Stellungnahme von Privatdozent Dr. K. vom 28.11.2013 und von Dr. L. vom 23.12.2013.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19.01.2014 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 27.01.2014 legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 17.02.2014 wurde der Widerspruch begründet.
Der Beklagte zog die Karteikarte von Dr. R. bei. In einem Nachtrag vom 18.02.2014 ist festgehalten, dass die Klägerin über eine Impfreaktion (lokale Schwellung und Rötung) berichtet habe. Diese war am 21.07.2005 wieder abgeklungen.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin A. nahm am 25.04.2014 Stellung. Die vorübergehende Lokalreaktion könne nicht belegen, dass die Monate später auftretende Symptomatik eines Guillain-Barré-Syndroms hiermit in ursächlichen Zusammenhang stehe.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2014 zurückgewiesen.
Mit diesem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zeigt sich die Klägerin nicht einverstanden und erhebt am 12.06.2014 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass von einem schleichenden Verlauf der Erkrankung auszugehen ist. Der zeitliche Zusammenhang mit den angeschuldigten Impfungen müssen überdacht werden. Nach der ersten FSME Impfung sei es bereits zu einer Schwellung des Arms und Ermüdungserscheinungen bzw. Grippeerscheinungen gekommen. Nach der zweiten FSME Impfung sei Müdigkeit und verstärkter Kopfschmerz aufgetreten. Eine erste Gangunsicherheit habe ab November 2005 bestanden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 16.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2014 zu ver...