Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Beratungshilfe. gesetzlicher Forderungsübergang auf den Rechtsanwalt. Unzulässigkeit der Aufrechnung der Behörde mit einer Erstattungsforderung. Treu und Glauben
Orientierungssatz
Die Aufrechnung der Behörde mit einer Erstattungsforderung gegen einen Anspruch des Rechtsanwalts auf Zahlung der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für ein isoliertes Widerspruchsverfahren im Rahmen eines Beratungshilfemandats ist aufgrund der Gebote von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.
Tenor
I. |
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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf die Kostenrechnung vom 16.01.2017 weitere 325,52 € zu zahlen. |
II. |
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. |
III. |
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Die Berufung wird zugelassen. |
IV. |
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Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. |
Tatbestand
Streitig ist ein weiterer Auszahlungsanspruch der Klägerin als prozessbevollmächtigter Rechtsanwältin der N. und K.S. aus Kostenrechnung vom 16.01.2017 im Hinblick auf ein erfolgreich geführtes Widerspruchsverfahren.
Gegen einen Änderungsbescheid des Beklagten vom 26.11.2016 (Systembescheid, Regelsatzerhöhung ab 01.01.2017) zur vorläufigen Bewilligung vom 23.09.2016 und Änderungsbescheid vom 08.11.2016 (Anrechnung Unterhalt des Vaters von K. in Höhe von monatlich 289,00 € ab Dezember 2016) legte N.S. am 19.12.2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass der Vater des Kindes K. entgegen der Annahme des Beklagten keinen Unterhalt bezahlen könne und werde.
Bereits am 14.12.2016 war N.S. seitens des Amtsgerichts H. ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe in der Angelegenheit „Jobcenter wegen Versagung der Grundsicherung“ erteilt worden. Am 04.01.2016 zeigte sich die Klägerin als Prozessbevollmächtigte für N. und K.S. an und beantragte über den bisherigen Widerspruch hinaus die Überprüfung des Änderungsbescheides vom 08.11.2016 mit dem Antrag, diesen aufzuheben. Der Beklagte erließ daraufhin am 05.01.2017 einen vorläufigen Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.12.2016 bis 31.01.2017 und nahm den Kindesunterhalt ab Dezember 2016 aus der Berechnung. Er führte aus, dem Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen. Der Beklagte übernahm die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden.
Am 16.01.2017 übersandte die Klägerin ihre Kostenrechnung für das Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 487,90 €. Der Beklagte erklärte am 18.01.2017 gegenüber N.S. die Aufrechnung mit einer Restforderung aus Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.03.2016 in Höhe von 325,52 €; an die Klägerin würde der Differenzbetrag in Höhe von 162,38 € überwiesen.
Mit Schreiben vom 18.01.201 teilte die Klägerin mit, dass sie von N.S. im Rahmen von Beratungshilfe beauftragt gewesen sei. Sie mache die Kosten bzw. ihre Gebühren daher als eigenen Anspruch geltend. Damit lägen die Voraussetzungen des § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere die Gegenseitigkeit der Forderungen, nicht vor, so dass eine Aufrechnung nicht möglich sei.
Der Beklagte teilte am 24.01.2017 seine Rechtsauffassung mit, dass aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz (BerHG) die Vorschrift des § 406 BGB im Verhältnis zum Drittgläubiger eingreife. § 9 Satz 2 BerHG lasse den Anspruch ausdrücklich zunächst in der Person des Widerspruchsführers entstehen.
Hierzu wies die Klägerin mit Schreiben vom 27.01.2017 auf eine rechtskräftige Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.10.2013, Az. L 7 AS 1139/14 (gemeint wohl: L 7 AS 1139/12) hin, wonach die Gleichartigkeit der Forderungen deshalb nicht gegeben sei, weil die Leistungsberechtigten einen Freistellungsanspruch hätten, der jedoch mit dem Zahlungsanspruch nicht identisch sei.
Hierzu äußerte der Beklagte mit Schreiben vom 31.01.2017, diese Rechtsprechung sei auf die Situation der Beratungshilfe nicht zu übertragen, weil § 9 Satz 2 BerHG dem Rechtsuchenden die Möglichkeit nehme, einen Freistellungsantrag zu stellen.
Die Klägerin hat daraufhin am 03.02.2017 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Sie hat ausgeführt, ihre Aktivlegitimation ergebe sich aus § 9 Satz 2 BerHG. Die Klage sei als reine Leistungsklage ohne Vorverfahren zulässig. Die Aufrechnungserklärung des Beklagten stelle eine Willenserklärung und keinen Verwaltungsakt dar. Eine Aufrechnung scheide materiell jedoch mangels Gleichartigkeit der Forderungen aus. Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen von Beratungshilfe tätig wird, dürfe nicht schlechter gestellt werden als ein Wahlanwalt, zumal die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe nicht abgelehnt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, auf die Kostenrechnung vom 16.01.2017, Rechnung Nr. 1700019 weitere 325,52 € zzgl. 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er auf seine Argumentation im vorgerichtlichen Verfah...