Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eines Arzneimittelherstellers durch Beschluss des G-BA. kein Anspruch auf Versorgung mit einem Arzneimittel ≪hier: ACOMPLIA/Rimonabant≫ zur Regulierung des Körpergewichts. Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Arzneimitteln
Orientierungssatz
1. Ein pharmazeutisches Unternehmen kann geltend machen, durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der ein von ihr hergestelltes und vertriebenes Präparat betrifft, in ihrem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit gem Art 12 Abs 1 GG betroffen zu sein (vgl BSG vom 31.5.2006 -B 6 KA 13/05 R = SozR 4-2500 § 92 Nr 5).
2. Acomplia/Rimonabant ist als Arzneimittel zur Regulierung des Körpergewichts und zur Abmagerung und damit als Lifestyle-Arzneimittel im Sinne von § 34 Abs 1 S 8 SGB 5 anzusehen.
3. An diesem Ergebnis ändert nichts, dass es sich bei der Adipositas um eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs 1 S 1 SGB 5 handelt (vgl BSG vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R = BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1), auf deren Behandlung Versicherte grundsätzlich einen Anspruch haben.
4. Der Ausschluss bestimmter Arzneimittel aus der Versorgung ist verfassungsgemäß, da aus Art 2 Abs 1 und 2 GG kein Anspruch auf Versorgung mit allen erdenklichen Leistungen und Medikamenten abgeleitet werden kann (vgl BSG vom 18.07.2006 - B 1 KR 10/05 R).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des von der Antragstellerin hergestellten und in Deutschland vertriebenen Medikaments ACOMPLIA ® mit dem Wirkstoff Rimonabant von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der Unterausschuss "Arzneimittel" des Antragsgegners beriet in seinen Sitzungen am 6. Juli 2006 und 5. Oktober 2006 die Ergänzung Anlage 8 der Richtlinien über die Versorgung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien /AMR) um den Wirkstoff Rimonabant sowie das Fertigarzneimittel ACOMPLIA ®, das diesen Wirkstoff als arzneilich wirksamen Bestandteil enthält. In seiner Sitzung am 18. Juli 2006 beschloss der Antragsgegner die Einleitung eines entsprechenden Stellungnahmeverfahrens. Am 23. August 2006 nahm der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller e.V. (VFA), am 24. August 2006 die Charite, die Deutsche Adipositas-Gesellschaft und die Gesellschaft für Phytotherapie Stellung. In seiner Sitzung am 17. Oktober 2006 beschloss der Antragsgegner, die AMR wie folgt zu ändern:
"I. Die Übersicht in der Anlage 8 über die nach Nummer 18 der Arzneimittel-Richtlinie ausgeschlossenen Fertigarzneimittel wird in der Tabelle "Abmagerungsmittel (zentral wirkend)" um den Wirkstoff "Rimonabant" sowie das Fertigarzneimittel "ACOMPLIA" ergänzt.
II. Die Änderungen treten am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft."
Nachdem die Beigeladene zu 10) den Beschluss nicht beanstandete, wurde er im Bundesanzeiger Nr. 8 vom 12. Januar 2007 (S. 400) veröffentlicht.
Mit am 5. Februar 2007 eingegangener Klageschrift hat die Antragstellerin gegen den Beschluss Klage erhoben. Zugleich hat sie den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die Kostenerstattung für das Präparat nach § 27 Abs. 1 SGB V zur Behandlung von krankhaftem Übergewicht aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 1 S. 7-9 SGB V offensichtlich nicht versagt werden könne. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Normzweck der Vorschriften sowie ihrer verfassungskonformen Auslegung, nach der ein Ausschluss der Erstattung als unverhältnismäßig angesehen werden müsste. Auch liege in dem Ausschluss eine rechtswidrige Gleichbehandlung mit anderen, gänzlich anders wirkenden Präparaten. Das Beschlussverfahren des Antragsgegners sei ferner wegen gravierender Verfahrensfehler wie Vorabfestlegung in Bezug auf den Verfahrensausgang und Einschränkung des Stellungnahme- und Überprüfungsverfahrens als rechtsfehlerhaft anzusehen.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Antragsgegners vom 17. Oktober 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 8 (S. 400) vom 12.01.2007 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gleichzeitig mit dem Antrag in der Hauptsache eingereichte Feststellungsklage einstweilen auszusetzen und den Antragsgegner zu verpflichten, diese Aussetzung im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hält weder einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit noch einen Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für gegeben. Die Tatsachen, auf welche Anordnungsgrund und -anspruch gestützt würden, habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Beigeladenen, soweit sie sich geäußert haben, pflichten dem Antragsgegner bei. Der Beigeladene zu 2) vertritt insbesondere die Auffassung, dass der angegriffene Beschluss keinen regelnden Charakter habe, sondern nur deklaratorisch wiederhole, was gesetzlich unmi...