Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. Nichtanwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG ist eine Gebühr nach Nr 3102 RVG-VV und nicht der verminderte Gebührenrahmen nach der Nr 3103 RVG-VV anzusetzen (Aufgabe von Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 30.1.2009 - S 165 SF 5/09 E).

2. Der Gesetzgeber hat in der VV zum RVG eine Ermäßigung für bestimmte Verfahrensarten vorgenommen, ohne jedoch für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz an den Sozialgerichten, bei dem Betragsrahmengebühren entstehen, eine eigenständige Gebührenregelung vorzunehmen. Einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz geht regelmäßig ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, zumindest ist dies keine zwingende Prozessvoraussetzung, weshalb schon begrifflich der Wortlaut Nr 3103 RVG-VV nicht einschlägig ist (vgl dazu mit ausführlicher Erörterung und Darstellung des Meinungsstandes in der Rechtsprechung Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 15.5.2007 - S 7 AS 249/06 ER-).

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 1. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Erinnerung ist im Ergebnis nicht begründet. Zwar ist im Einklang mit dem Vortrag der Erinnerungsführerin die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG anzusetzen und nicht nach Nr. 3103 VV RVG wie im angegriffenen Beschluss. Innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VVRVG war die dortige (beantragte) Mittelgebühr von 250,00 € allerdings um 1/3 (auf 166,66 €, aufgerundet auf 170.00 €) herabzusetzen, da der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war und der anwaltliche Aufwand entsprechend dem dadurch entstandenen Synergieeffekt entsprechend geringer war.

Die Kammer nimmt den vorliegenden Fall zum Anlass, ihre bisherige Rechtsprechung (S 165 SF 5/09 E vom 30. Januar 2009) zur Frage der Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG auf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b SGG im Grundsatz zu ändern und nunmehr an die Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin anzugleichen. Im Beschluss der 164. Kammer vom 4. März 2009 - S 164 SF 194/09 -, dem die Kammer aus den dort genannten Gründen folgt, heißt es dazu:

“Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass vorliegend eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG angefallen ist und nicht nach Nr. 3103 VV RVG. Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz setzt ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, weshalb schon begrifflich der Tatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig ist (vgl. dazu mit ausführlicher Erörterung und Darstellung des Meinungsstandes in der Rechtsprechung SG Duisburg, Beschluss vom 15.05.2007, Az.: S 7 AS 249/06 ER - JURIS -). Die entgegenstehenden Ansichten der von dem Erinnerungsgegner zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung einiger Landessozialgerichte vermochten die Kammer nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat in der VV zum RVG eine Ermäßigung für bestimmte Verfahrensarten vorgenommen, ohne jedoch für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz an den Sozialgerichten, bei dem Betragsrahmengebühren entstehen, eine eigenständige Gebührenregelung vorzunehmen. Einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz geht regelmäßig ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, zumindest ist dies keine zwingende Prozessvoraussetzung, weshalb schon der Wortlaut der Nr. 3103 VV RVG der Auslegung, bspw. durch das LSG Thüringen, Beschluss vom 06.03.2008, L 6 B 198/07 SF nicht entspricht.„

( Hinweis : Der Beschluss der 164. Kammer vom 4. März 2009 - S 164 SF 194/09 - konnte aus technischen Gründen nicht auf der Website des SG Berlin (Musterentscheidungen) veröffentlicht werden, da dort unter dem gleichen Aktenzeichen bereits (vorrangig) ein Musterbeschluss zu den Kosten für das Zwangsvollstreckungsverfahren im Vergütungsfestsetzungsverfahren (des gleichen Ursprungsverfahrens) veröffentlicht ist).

In der zitierten Entscheidung des SG Duisburg wird - für die Kammer nachhaltig überzeugend - weiter wie folgt ausgeführt:

“Was die Verfahrensgebühr angeht, sind die Bevollmächtigte des Antragstellers und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle überstimmend und aus Sicht des Gerichts auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Gebühr Nr. 3102 VV RVG (und nicht die Gebühr Nr. 3103 VV RVG) zugrundezulegen ist. Demgegenüber wird zwar vertreten (vgl Sozialgericht Aurich, Beschluss vom 09.05.2006 Az.: S 25 SF 20/05 AS; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2007, Az.: L 15 B 224/06 AS KO; Sozialgericht Münster, Beschluss vom 04.12.2006, Az.: S 5 AS 73/06 ER), dass in Fällen wie diesen, in denen der Bevollmächtigte für den Antragsteller bereits in einem vor dem Eilverfahren anhängigen Verwaltungs- bzw Widerspruch...

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