Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite der aufschiebenden Wirkung der Berufungseinlegung nach der Sonderregel § 154 Abs. 2 SGG. Anwendbarkeit des Begriffs des Versicherungsträgers auf Träger der Grundsicherung. Rechtsanwaltsgebührenbemessung aus Toleranzgesichtspunkten

 

Orientierungssatz

1. Nach der Sonderregelung des § 154 Abs. 2 SGG bewirkt die Berufung 'nur insoweit' Aufschub (= die aufschiebende Wirkung im Sinne von § 86a SGG), soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen, d.h. dass die aufschiebende Wirkung der Berufung gesetzlich hierauf beschränkt ist, wenn sie durch einen Versicherungsträger eingelegt wird. Danach entfaltet die Berufung gerade keine aufschiebende Wirkung, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen, ferner bei Verurteilung zu einmaligen Leistungen (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG), zur Gewährung von Sachleistungen sowie bei Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten und insbesondere auch hinsichtlich der Verurteilung in die Kosten des Verfahrens.

2. Der Begriff des "Versicherungsträgers" ist auch auf Leistungsträger wie den Träger der Grundsicherung anwendbar.

3. Bei der Bemessung der angemessenen Gebühren eines Rechtsanwalts scheidet eine Erhöhung der Mittelgebühr allein aufgrund von Toleranzgesichtspunkten aus.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 22. März 2011 - S 61 AS 12410/07 - wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitgegenstand der am 5. Juli 2007 bei dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen - S 61 AS 12410/07 - erhobenen Klage war der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. März 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2007 sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008, welche mit Urteil vom 24. September 2010 aufgehoben worden, unter Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Kosten auf den Erinnerungsführer. Gegen dieses Urteil legte der Erinnerungsführer am 29. November 2010 Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen - L 19 AS 2259/10 - ein mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie gemäß § 193 SGG zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2010 beantragte der Erinnerungsgegner, gegen den Beklagten Kosten in Höhe von 737,80 EUR festzusetzen unter Zugrundelegung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR und einer Terminsgebühr in Höhe von 300,00 EUR zuzüglich Post- und Kommunikationsdienstleistungen sowie Umsatzsteuer. Mit Schriftsatz vom 18. November 2010 machte der Erinnerungsführer geltend, es fehle an einer bestandskräftigen Kostengrundentscheidung, da er gegen das Urteil Berufung eingelegt habe und daher allenfalls eine vorläufige Festsetzung möglich sei, wobei diese unter dem Vorbehalt des Nichterfolges der Berufung ergehen müsse. Hierfür dürfte das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Es werde angeregt, das Kostenfestsetzungsverfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens auszusetzen. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2010 teilte der Erinnerungsgegner mit, es bestehe kein Einverständnis mit einem Ruhen des Kostenfestsetzungsverfahrens bis zur Beendigung der Berufung.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2011 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts die von dem Erinnerungsführer den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 737,80 EUR unter antragsgemäßer Verzinsung fest. Dagegen legte der Erinnerungsführer am 31. April 2011 Erinnerung ein mit dem Antrag,

den Beschluss des SG Berlin vom 22. März 2011 aufzuheben und den Antrag auf Kostenfestsetzung des Klägers vom 28. September 2010 abzulehnen,

hilfsweise,

die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 678,30 EUR nebst Zinsen vorläufig festzusetzen.

Er trägt vor, nicht nachvollziehbar sei dabei bereits die Auffassung des Gerichts, es sei antragsgemäß festzusetzen gewesen, weil durch den Erinnerungsführer nicht Stellung genommen worden sei, also weil gegen die zur Festsetzung angemeldeten Vergütung keine Einwände vorgetragen worden seien. Das Gericht verkennt hierbei seine eigene Prüfungspflicht: Es habe selbstständig zu entscheiden, ob der (Kostenfestsetzung-) Antrag zulässig und ob er begründet sei. Neben der erforderlichen Notwendigkeit der Kosten müsse der Urkundsbeamte insbesondere prüfen, ob die von dem Rechtsanwalt vorgenommene Bestimmung der Gebührenhöhe verbindlich, da billig, sei oder gerade nicht. Diese gesetzliche Vorgabe habe das Gericht hier missachtet. Unabhängig davon habe der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 18. November 2010 darauf hingewiesen, dass ein Berufungsverfahren anhängig sei und die Aussetzung des Verfahrens begehrt. Mit Schreiben vom 11. Janua...

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