Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. örtliche Zuständigkeit bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Einbehalten zur Förderung der integrierten Versorgung. Entfallen der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses. Willkürlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das BSG nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG
Orientierungssatz
1. Streitigkeiten um Fragen, ob die mit den in § 140d SGB 5 genannten Leistungserbringern geschlossenen Verträge die Kriterien des § 140a SGB 5 erfüllen und ob sie den Einbehalt nach § 140d SGB 5 rechtfertigen, unterfallen nicht dem Abwendungsbereich des § 57a Abs 3 SGG. Der Inhalt der Verträge berührt zwar den geltend gemachten Anspruch, jedoch ist er gleichwohl nicht selbst Gegenstand des Streits.
2. Einem Verweisungsbeschluss kommt nach § 98 S 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl zuletzt BSG vom 5.1.2012 - B 12 SF 4/11 S stRspr).
3. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung in dem aufgezeigten Zusammenhang erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art 3 Abs 1 GG verletzt.
4. Eine solche Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze liegt vor, wenn das verweisende Gericht entgegen der Vorschrift des § 17a Abs 4 S 2 GVG seinen Beschluss mit keinem Wort begründet und sich weder nach dem Akteninhalt noch dem bisherigen Vorbingen erschließen lässt, von welchen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten sich das Gericht hat leiten lassen.
Nachgehend
Tenor
Das Sozialgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig.
Der Rechtsstreit wird dem Bundessozialgericht zu Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Einbehalten zur Förderung der integrierten Versorgung nach § 140 d des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) in den Jahren 2006-2008.
Die Klägerin, die ihren Sitz im Sozialgerichtsbezirk Osnabrück hat, ist Trägerin eines im Lande Berlin gelegenen Krankenhauses. In diesem behandelte sie bei der Beklagten krankenversicherte Patienten. Von den Rechnungen des Krankenhauses behielt die Beklagte in den Jahren 2006-2008 insgesamt 9.660,45 € zur Förderung der integrierten Versorgung nach § 140 d SGB V ein. Mit der am 31. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Osnabrück erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung dieses Betrages. Zur Begründung führt sie aus, dass derartige Einbehalte nur zulässig seien, wenn die einbehaltenen Mittel zur Finanzierung der nach § 140 c Absatz 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden. Hierzu sei erforderlich, dass entsprechende Verträge gemäß §§ 140 a, 140 b SGB V geschlossen worden und der Einbehalt zur Finanzierung erforderlich sei. Die Beklagte sei diesbezüglich darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe jedoch den Inhalt der Verträge nicht offen gelegt, sondern allein darauf verwiesen, dass die Meldebestätigungen der Registrierungsstelle bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) ausreichend seien.
Das Sozialgericht Osnabrück hat die Beklagte mit Verfügung vom 1. Juni 2011 im Hinblick auf die Vorschrift des § 57 a Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebeten mitzuteilen, “ob Integrationsverträge ausschließlich mit einzelnen Bundesländern (wenn ja: welches Land?) oder auf Bundesebene„ bestehen. Diese hat daraufhin mitgeteilt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Regelungen des § 57 a SGG einschlägig sein sollen. Die Klägerin betreffend lägen Verträge für Berlin-Brandenburg vor. Daraufhin teilte das Sozialgericht Osnabrück den Beteiligten mit, dass eine Verweisung an das Sozialgericht Berlin gemäß § 57 a Abs. 3 SGG beabsichtigt sei. Mit Beschluss vom 29. November 2011 hat es sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das nach § 57 a Abs. 3 SGG zuständige Sozialgericht Berlin verwiesen. Der Beschluss enthält keinerlei Begründung.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011/4. Januar 2012 hat das Sozialgericht Berlin den Beteiligten mitgeteilt, es beabsichtige, sich für örtlich unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Der Rechtsstreit ist dem Bundessozialgericht gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen, da sowohl das Sozialgericht Osnabrück sich mit unanfechtbaren Beschluss für unzuständig erklärt hat und das Sozialgericht Berlin sich mit dem vorliegenden Beschluss ebenfalls für unzuständig erklärt. Das gemeinsame nächsthöhere Gericht im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG ist das Bundessozialgericht.
Das Sozialgericht Osnabrück ist nach § 57 Absatz 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig, weil die ...