Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. In Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 1 und Abs 2 SGG kann eine Gebühr nach RV-VV Nr 3106 in Gestalt einer "fiktiven" Terminsgebühr nicht anfallen, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat (siehe auch SG Berlin vom 30.1.2009 - S 165 SF 7/09).

2. Gegen die Ablehnung der Entstehung einer "fiktiven" Terminsgebühr" bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Zur Frage der hier ausschließlich streitgegenständlichen (“fiktiven„) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG für Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vertritt die erkennende Kammer seit - S 165 SF 7/09 - vom 30. Januar 2009 (in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de sowie http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/page/sammlung.psml/bs/10) und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin (seit S 164 SF 14/09 E vom 21. Januar 2009) aus den dort genannten Gründen, an denen sie auch nach nochmaliger Prüfung festhält, die Auffassung, dass in Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt der “fiktiven„ Terminsgebühr nicht anfallen kann, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat.

Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Erinnerungsführers nicht.

Mit den hierzu (insbesondere im Rahmen der Frage der Gewährleistung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch ein faires Verfahren) vorgetragenen Argumenten nach der Methodenlehre haben sich die Kostenkammern des SG Berlin in den zitierten Musterbeschlüssen eingehend befasst, mit dem Ergebnis, dass nach dem Wortlaut, dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Sinn und Zweck der Norm durchaus die Auslegung zulässig ist, die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr abzulehnen. Soweit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Gebührenrechts weiter geltend gemacht wird, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammern des SG Berlin “angebliche„ Synergieeffekte die durchschnittlichen Gebühren senken, wurde die Möglichkeit und Notwendigkeit der Berücksichtigung von Synergieeffekten im Rahmen der Prüfung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach § 14 RVG innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG - ebenfalls nach den Regeln der juristischen Methodenlehre im Beschluss der 165. Kammer vom 10. Juni 2009 - S 165 SF 601/09 E - (in juris,www.sozialgerichtsbarkeit.de≫ sowie http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/page/sammlung.psml/bs/10) ausführlich begründet. “Haushaltsrechtliche Erwägungen„ (gegen deren Unterstellung sich die Kammer ausdrücklich verwahrt) gelten dagegen ebensowenig als Billigkeitskriterien nach § 14 RVG (und auch nicht als Kriterien der juristischen Methodenlehre zu Rechts- und Auslegungsfragen) wie der geltend gemachte (betriebs)wirtschaftliche Bedarf der Rechtsanwälte. Sollten sich bei jenen Engpässe ergeben, ist der Gesetzgeber berufen, die Gebührenrahmen ihren wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen, nicht jedoch die Gerichte bei der Ausfüllung der geltenden Gebührenrahmen mittels dieser insoweit unzulässigen Kriterien. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem letztgenannten Beschluss der 165. Kammer unter Änderung ihrer bisherigen Rechtsprechung (in - S 165 SF 5/09 E - vom 30. Januar 2009) und der seither ständigen Rechtsprechung der Berliner Kostenkammern in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz - auch bei Tätigkeit des Anwaltes im Verwaltungs- oder Vorverfahren - grundsätzlich der höhere Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG eröffnet wurde (während andere Meinungen in diesen Fällen weiterhin grundsätzlich den geringeren Rahmen der Nr. 3103 zur Anwendung bringen, z.B. LSG Hessen vom 25. Mai 2009 - L 2 SF 50/09 E, LSG Thüringen vom 6. März 2008 - L 6 B 198/07 E, LSG Schleswig-Holstein vom 13. November 2008 - L 1 B 467/06 SK, in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Soweit der Erinnerungsführer im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Gebührenrechts argumentiert, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Berliner Kostenrechtsprechung (seit - S 164 SF 12/09 E - vom 21. Januar 2009 und -S 165 SF 11/09 E - vom 2. Februar 2009 (in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de sowie http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/page/sammlung.psml/bs/10) bei Untätigkeitsklagen (die ebenso wie Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz in Verfahren nach dem SGB II eine zahlenmäßig erhebliche Rolle spielen) eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt ...

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