Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. örtliche Zuständigkeit. Streitigkeiten zwischen Apothekern und Krankenkassen wegen Erstattung von Abschlägen auf Arzneimittel. Anwendungsbereich von § 57a Abs 4 SGG. Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bundessozialgericht nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen in § 57a Abs 3 und 4 SGG betreffen nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung oder Entscheidung auf Landes- bzw Bundesebene. Es genügt nicht, dass die vertragliche Vereinbarung oder Entscheidung lediglich berührt wird oder ihre bloße Anwendung im Raum steht (Anschluss an SG Dresden vom 5.6.2009 - S 18 KR167/09 und SG Berlin vom 31.1.2011 - S 36 KR 2345/10).
2. Streitigkeiten zwischen Apothekern und Krankenkassen um die Erstattung von Abschlägen auf Arzneimittel unterfallen nicht allein deshalb dem Anwendungsbereich von § 57a Abs 4 SGG, weil sich die Vergütung für Arzneimittel möglicherweise auch nach dem zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband eV geschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB 5 beurteilt.
Nachgehend
Tenor
Das Sozialgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig und legt die Streitsache dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Abschlägen auf Arzneimittel.
Der Kläger ist selbständiger Apotheker und Inhaber zweier Apotheken in Bad G und K. Die beklagte Krankenkasse hat sich im Jahre 2010 mit der Innungskrankenkasse (IKK) Niedersachsen zusammengeschlossen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des gesamten gesetzlichen Kassenabschlags für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Anspruch, die er im Kalenderjahr 2009 an die Versicherten der Beklagten einschließlich der IKK Niedersachsen abgegeben hat. Er stützt seinen Anspruch auf § 130 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und macht geltend, die Beklagte habe seine Rechnung nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang beglichen.
Die Klage wurde am 22. Dezember 2010 zum Sozialgericht Hildesheim erhoben. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 wies das Gericht darauf hin, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Berlin oder das zuständige Sozialgericht Hannover zu verweisen. Der Kläger wandte sich gegen eine Verweisung. Die Beklagte verhielt sich dazu nicht. Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 erklärte sich das Sozialgericht Hildesheim für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sei die Vergütung für Arzneimittel auf der Basis eines auf Bundesebene gemäß § 129 SGB V geschlossenen Rahmenvertrages (“Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der Fassung vom 7. Dezember 2009, geschlossen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V.„, im Folgenden: Rahmenvertrag). Nach der Neufassung des § 57a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab dem 1. April 2008 sei örtlich zuständig das Sozialgericht Berlin als Sozialgericht, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat.
Der Rahmenvertrag, der auch das Nähere über das Zustandekommen des Zahlungs- und Lieferanspruchs zwischen Krankenkasse und Apotheke regelt, enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
Ҥ 2 Geltungsbereich des Rahmenvertrages
(1) Der Rahmenvertrag hat einerseits Rechtswirkung für die Krankenkassen nach § 4 SGB V.
(2) Der Rahmenvertrag hat andererseits Rechtswirkung für die nach § 129 Absatz 3 SGB V bestimmten Apotheken. Apotheken, die weder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes noch diesem Rahmenvertrag beigetreten sind, sind von der Lieferung ausgeschlossen.
[…]
§ 3 Zahlungs- und Lieferanspruch
(1) Ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke kommt für vertragsgegenständliche Produkte durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande. Ist ein Preis nicht durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen bestimmt, so bedarf es einer Einigung zwischen Apotheke und Krankenkasse über den Preis. Vertragsärztliche Verordnungen dürfen ab Ausstellung längstens einen Monat zu Lasten der Krankenkasse beliefert werden, sofern eine entsprechende Regelung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V getroffen ist. Das Nähere kann in den ergänzenden Verträgen geregelt werden.
(2) Ist eine Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllt, so besteht kein vertraglicher Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse.
§ 8a Apothekenabschlag
(1) Der Apothekenabschlag richtet sich nach § 130 SGB V.
(2) Mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 haben die Partner des Rahmenvertrages eine vertragliche Anpassung des Apothekenabschlages nach den Vorgaben des § 130 Abs...