Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hebamme. Modell. eigenständiger Ausgleichsmechanismus für Versicherungsprämien. Festsetzung von Qualitätsanforderungen. Ausschluss von Hebammenleistungen im Rahmen einer Hausgeburt

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht offensichtlich rechtswidrig, das Modell eines eigenständigen Ausgleichsmechanismus für Versicherungsprämien in § 134a Abs 1b SGB 5 ("Sicherstellungszuschlag") auf sämtliche in der Geburtshilfe tätige Hebammen zu übertragen. Die rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung von Qualitätsanforderungen, mit denen Hebammenleistungen im Rahmen einer Hausgeburt ausgeschlossen werden, müssen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zurückstehen, weil durch die vorläufige Aussetzung der diese Qualitätsanforderungen regelnden Vertragsbestandteile der für Hebammen mit wenigen Geburten existenzsichernde Zuschlag nach § 134a Abs 1b SGB 5 entfiele.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Berlin-Brandenburg L 1 KR 117/16 B ER.

 

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. Dezember 2015 gegen die Beschlüsse der Schiedsstelle beim GKV-Spitzenverband vom 25. September 2015 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen vom 25. September 2015, mit denen die Schiedsstelle beim GKV-Spitzenverband nach § 134a Abs. 4 SGB V (Antragsgegnerin) bestimmte streitige Teile des Vertrages zwischen dem Antragsteller und den Beigeladenen nach § 134a Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit Hebammenhilfe mit Wirkung ab dem 25. September 2015 festgesetzt hat.

Die schriftlich mit Begründung abgefassten Beschlüsse vom 25. September 2015 (zunächst irrtümlich datiert auf den 24. September 2015) wurden dem Antragsteller mit einem ihm am 12. November 2015 zugegangenen Schreiben des Vorsitzenden der Antragsgegnerin bekannt gegeben. Am 11. Dezember 2015 erhob der Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin Klage gegen die Beschlüsse (S 211 KR 4186/15). Zudem beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin am 21. Dezember 2015 Eilrechtsschutz gegen die Beschlüsse.

Der Antragsteller meint insbesondere, die Antragsgegnerin sei nicht ermächtigt gewesen, Kriterien festzusetzen, die die Versorgung mit Hebammenhilfe bei einer Hausgeburt ausschließen. Der Nutzen der Kriterien sei wissenschaftlich nicht belegt. Zudem verstoße der festgesetzte Vergütungsmechanismus gegen § 134a Abs. 1 SGB V. Die Beschlüsse der Antragsgegnerin seien außerdem formell rechtswidrig.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Dezember 2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ihrer Auffassung nach liegt bereits deshalb kein überwiegendes Aussetzungsinteresse vor, weil der Vollzug des von ihr festgesetzten Vertrages Bedingung für eine Vergütungserhöhung von 5 Prozent sei. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundene Aussetzung ihrer Beschlüsse führten daher zu erheblichen Einnahmeeinbußen bei den betroffenen Hebammen.

Der Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,

den Antrag abzulehnen.

Er hält die Beschlüsse der Antragsgegnerin für rechtmäßig.

Der Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Er hält die Festsetzung der Ausschlusskriterien für rechtswidrig, weil diese nicht wissenschaftlich fundiert seien. Das neue Vergütungssystem hält er dagegen für sachgerecht.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.

1) a) Der Antrag ist zulässig, soweit er sich gegen die Beschlüsse der Schiedsstelle vom 25. September 2015 richtet, mit denen die Antragsgegnerin § 10 mit Anlage 3 (Qualitätsanforderungen), Anlage 1.4 (Ausgleich der Haftpflichtkostensteigerung) und § 15 Abs. 1 (Regressverfahren) des Vertrages nach § 134a SGB V festgesetzt hat.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Vorschrift erfasst den einstweiligen Rechtsschutz bei einer Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte. Die Beschlüsse der Antragsgegnerin vom 25. September 2015 haben den Charakter eines vertragsgestaltenden Verwaltungsaktes (vgl. Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB V, Lfg. 4/15, § 134a Rn. 58; BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 20/14 R - juris, Rn. 21 m.w.N.).

Das Sozialgericht Berlin ist Gericht der Hauptsache. Streitig ist ein Schiedsspruch nach § 134a Abs. 3 Satz 1 SGB V. Ein Fall des § 29 Abs. 4 SGG liegt nicht vor.

Die Klage vom 11. Dezember 2015 hat gemäß § 134a Abs. 4 Satz 6 i.V.m. § 129 Abs. 9 Satz 7 SGB V keine aufschiebende Wirkung.

Der Antragsteller kann sein Rechtsschutzziel nicht durch Erhebung eines Widerspruchs mit aufschiebender Wirkung erreichen. Ein Widerspruch ist nicht statthaft. Dies ergibt sich aus der Eigenart d...

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