Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. behindertes Kind. Besuch einer Grundschule. Eingliederungshilfe. Einzelfallhilfe durch einen Schulhelfer. kein Nachranggrundsatz für den Sozialhilfeträger bei Zuständigkeitsstreit der beteiligten Behörden

 

Orientierungssatz

1. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB 12, nachdem Schulhelfer von der Schulverwaltung zu stellen sind und deshalb grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe gewährt werden können, setzt voraus, dass die erforderlichen Maßnahmen durch den Schulträger auch tatsächlich erbracht werden. Werden sie das nicht und können auch nicht rechtzeitig durchgesetzt werden, verbleibt es dabei, dass die erforderliche Hilfe durch den Träger der Sozialhilfe zu erbringen ist.

2. Bei der Beurteilung, ob der Hilfesuchende sich in einem seinen Sozialhilfeanspruch ausschließenden Sinne selbst helfen kann, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Hilfesuchende einen Rechtsanspruch gegen einen Dritten - hier die Schulverwaltung - hat, sondern darauf, ob er die benötigte Hilfe auch tatsächlich erhalten oder den Anspruch gegen den Dritten rechtzeitig realisieren kann.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller im Zeitraum vom 24. September 2009 bis 31. Dezember 2009 Einzelfallhilfe durch einen Schulhelfer im Stundenumfang von bis zu vier Stunden je Schultag zu gewähren, längstens jedoch bis zum Einsatz eines Schulhelfers durch die Schulverwaltung. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe

Der am 1. September 2009 bei Gericht eingegangene Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die Leistungen der Eingliederungshilfe, hier Schulhelfer im Umfang von vier Stunden täglich, zu gewähren,

hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Da der Antragsteller die Veränderung eines derzeit leistungslosen Zustandes begehrt, kann ihm einstweiliger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewährt werden. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 ZPO; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund).

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Gewährung von Einzelfallhilfe nach den §§ 53 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB XII) i.V.m. § 12 Nr. 2 der Verordnung nach § 60 des SGB XII (Eingliederungshilfe-VO). Er gehört - unstreitig - zu dem Personenkreis der Behinderten i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX). Er hat daher grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Diese umfasst gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII Hilfen zur angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Sie umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach § 12 Nr. 2 Eingliederungshilfe-VO werden auch geeignete und erforderliche Maßnahmen der Schulbildung zur Ermöglichung einer im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbaren Bildung gewährt.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist die begehrte Einzelfallhilfe als Maßnahme nach § 12 Eingliederungshilfe-VO geeignet und erforderlich um einen Besuch der L…-Grundschule zu ermöglichen. Denn den vorgelegten schulärztlichen Stellungnahmen des Bezirksamtes Spandau von Berlin, Abteilung Soziales und Gesundheit, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, vom 26. Februar und 15. Mai 2009 wird der Einsatz eines Schulhelfers empfohlen. Es wird ausgeführt, dass bei bestehendem Diabetes Mellitus Typ I neben der mehrfachen Insulingaben in Form von Spritzen und der regelmäßigen Blutzuckerkontrollen eine besondere Ernährungsform und sofort wirksame Maßnahmen im Falle der Regulationsstörung des Zuckerstoffwechsels (Über- oder Unterzuckerung) notwendig seien. Aufgabe des Schulhelfers sei es, dem Antragsteller bei der Eingliederung in den Schulalltag durch Beratung und Betreuung zu Fragen des Blutzucker- und Ernährungsmanagements zu helfen; der Einsatz sei täglich erfor...

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