Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Recht auf Verweigerung des Abschlusses honorarvertraglicher Regelungen und Anrufung des Landesschiedsamtes. vertragsärztliche Vergütung. Festsetzung der Honorarverteilungsquoten in den Jahren 2009 und 2010. Überprüfung von Entscheidungen des Landesschiedsamtes im gerichtlichen Verfahren. Vorrang und Verpflichtung der Gerichte zur Inzidentkontrolle der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des (Erweiterten) Beschwerdeausschusses
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Kassenärztliche Vereinigung besteht die Möglichkeit, im Hinblick auf die von ihr für gesetzeswidrig gehaltenen Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses betreffend die vertragsärztliche Vergütung auf regionaler Ebene den Abschluss honorarvertraglicher Regelungen zu verweigern und das Landesschiedsamt anzurufen.
2. Im Rahmen des gegen die Entscheidung des Landesschiedsamtes eröffneten Klageverfahrens ist auch die Rechtmäßigkeit der vom Landesschiedsamt bei seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zu prüfen. Diese Möglichkeit der Inzidentkontrolle steht der Zulässigkeit einer unmittelbar gegen die Trägerorganisationen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses erhobenen Klage, mit der die Änderung sowie die Feststellung der Gesetzeswidrigkeit von Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses betreffend die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in den Jahren 2009 und 2010 geltend gemacht wird, wegen des Vorrangs der Inzidentkontrolle gegenüber der Normerlass- bzw der Normfeststellungsklage entgegen.
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim LSG Berlin-Brandenburg: L 7 KA 57/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit mehrerer Beschlüsse des Bewertungsausschusses und des erweiterten Bewertungsausschuss betreffend die vertragsärztliche Vergütung in den Jahren 2009 und 2010, unter anderem über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Honorarverteilungsquoten (HVV-Quoten).
Im Zuständigkeitsbereich der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein erfolgte die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen bis zum Ende des Jahres 2008 auf der Grundlage von Individualbudgets (siehe dazu auch BSG, Urteile vom 14.12.2011 - B 6 KA 3/11 R bis B 6 KA 6/11 R, zitiert nach juris).
Mit Beschluss vom 27./28.8.2008 (7. Sitzung, DÄ-Bl. 38/2008, A 1988) traf der erweiterte Bewertungsausschuss zum 01.01.2009 in Umsetzung der durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl. I, S. 378ff.) in Kraft getretenen Neuregelungen in §§ 87 bis 87c SGB V umfangreiche Regelungen betreffend die vertragsärztliche Vergütung. Der Beschluss gliedert sich in Teile A bis H. Teil A regelt die erstmalige Festlegung des Orientierungswertes für das Jahr 2009, Teil B das Verfahren zur Berechnung des Behandlungsbedarfs für die erstmalige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2009. Im Rahmen der Teile A und B legte der erweiterte Bewertungsausschuss hinsichtlich der Bestimmung der Leistungsmenge zur Berücksichtigung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen eine Honorarverteilungsquote (HVV-Quote) fest, die nach Teil A Ziff. 2.2 bundeseinheitlich 0,9059 betrug und nach Teil B Ziff. 1.2, 2. Absatz für die alten Bundesländer 0,9059 und für die neuen Bundesländer 0,9544. Der Orientierungspunktwert wurde in Teil A Ziff. 4 auf 3,5058 Cent festgelegt. In Teil C des Beschlusses stellte der erweiterte Bewertungsausschuss fest, dass keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in der Versorgungsstruktur und in der Kostenstruktur zwischen den Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen definiert werden können, die eine regionale Anpassung der Orientierungswerte auf Grund von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur rechtfertigen würden. Teil F regelt das Verfahren für die Berechnung und Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen. In diesem Zusammenhang findet sich in Teil F Ziff. 3.2.2 die Feststellung, dass das Kriterium Geschlecht sich nicht zur Abbildung der Morbidität eignet, da das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst wird. Teil G des Beschlusses enthält Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen, wobei Rückstellungen von der insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und über die in § 87b Abs. 3 Satz 5 SGB V genannten Zwecke hinausgehend auch für Praxisbesonderheiten gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V und zum Ausgleich von Fehlschätzungen für Vorwegabzüge gemäß Beschluss Teil F Anlage 2 Nr. 2 gebildet werden (Teil G Ziff. 1, 4. und 5. Sp.-Str.).
Mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 17.10.2008 (164. Sitzung, DÄ-Bl. 48/2008, A 2607) wurde unter anderem Teil G des Beschlusses vom 27./28.8.2008 dahingehend geändert, dass Rückstellungen versorgungsbereichsspezifisch gebildet werden.
Mit Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 23.10.2008 (8. Sitzung, DÄ-Bl. 48/2008, A 2602) wur...