Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung von Pflichtbeiträgen bei Insolvenzereignis. Erstattung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren an die Einzugsstelle. Rechtsänderung ab 1.1.2004. Rechtsauslegung. authentische Interpretation

 

Orientierungssatz

Nach § 208 Abs 1 S 1 SGB 3 idF vom 23.12.2003 ist die Zahlung von Pflichtbeiträgen bei Insolvenzereignis durch die Bundesagentur für Arbeit an die Einzugsstelle ab 1.1.2004 auf den bloßen Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB 4 beschränkt und Nebenforderungen, wie zB Säumniszuschläge, werden nicht mehr erfasst.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.09.2005; Aktenzeichen B 11a/11 AL 83/04 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Nebenforderungen in Form von Säumniszuschlägen und Mahnkosten im Zusammenhang mit der Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch die Beklagte anstelle des insolventen Arbeitgebers an die Einzugsstelle nach der ab 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderung.

Die Klägerin machte als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag mit Schreiben vom 6. Februar 2004 gegenüber der Beklagten die Erstattung von Pflichtbeiträgen für die Arbeitnehmer eines insolventen Arbeitgebers geltend, nachdem der Antrag des Arbeitgebers vom 29. Oktober 2003 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seiner Firma mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26. Januar 2004 - ... - mangels Masse zurückgewiesen worden war. Darüber hinaus beanspruchte die Klägerin die Erstattung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 59,90 €.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2004 entrichtete die Beklagte den geltend gemachten Gesamtsozialversicherungsbeitrag, lehnte aber die Zahlung eines Betrages von 46,50 € für Säumniszuschläge bis zum 6. Februar 2004 sowie Mahngebühren von 13,40 €, insgesamt von 59,90 € unter Hinweis auf die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung ab.

Mit der am 1. Juni 2004 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Erstattung der Säumniszuschläge und Mahngebühren durch die Beklagte anstelle des insolventen Arbeitgebers weiter. Sie trägt vor, nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis seien die Nebenforderungen von der Pflicht zur Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages erfasst worden. Eine Änderung sei durch die Neufassung von § 208 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung - SGB III - mit Wirkung vom 1. Januar 2004 nicht eingetreten. Nach dem Gesetz sei die Entrichtung der Säumniszuschläge nur dann ausgeschlossen, wenn diese infolge von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers zu zahlen seien. Da der Arbeitgeber rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt habe, sei ihm eine Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Agentur für Arbeit Berlin Südwest vom 4. Mai 2004 zu verurteilen, ihr weitere 59,90 € Säumniszuschläge und Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Nach ihrer Auffassung ist durch die ab 1. Januar 2004 in Kraft getretene Neuregelung die Erstattung von Nebenforderungen ausgeschlossen, was auch für die Säumniszuschläge gelte. Maßgebend sei, dass diese durch den Arbeitgeber verursacht seien.

Die Beklagtenakte hat der Kammer vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nicht.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 4. Mai 2004 ist rechtmäßig.

Die Klägerin kann ihr Begehren auf Entrichtung der Kosten der Zwangsvollstreckung und Mahngebühren im Rahmen der Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nicht mit Erfolg auf § 208 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung - SGB III - stützen.

Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung hatte das Arbeitsamt auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfiel und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden war, zu zahlen. Nach der zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 141 n Arbeitsförderungsgesetz - AFG - ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurden, obwohl die vorgenannte Vorschrift lediglich die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung ausdrücklich nennt, auch die auf Beitragsansprüche entfallenden Nebenforderungen, insbesondere Säumniszuschläge, Verzugszinsen, Mahngebühren und Kosten der Vollstreckung erfasst (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 4).

Durch das Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) hat § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III eine Änderung erfahren, die gemäß § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III auf den vorliegenden Fall Anwendung findet, da d...

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