Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütung einer neuen Behandlungsmethode. Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative (hier: epidurale gepulste Radiofrequenzbehandlung (ePRF) zur Schmerzbehandlung)
Leitsatz (amtlich)
Behandlungsmethoden, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, die aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, sind nicht von vornherein im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ausgeschlossen (Anschluss an LSG Stuttgart vom 11.12.2018 - L 11 KR 206/18; Abweichung von BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R = SozR 4-5562 § 6 Nr 1).
Orientierungssatz
Az beim LSG Berlin-Potsdam: L 1 KR 106/19.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.257,02 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.02.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung für erbrachte Krankenhausbehandlungsleistungen in Höhe von 5.257,02 EUR.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Die Beklagte war im fraglichen Zeitraum die gesetzliche Krankenkasse der Versicherten C. R. (im Folgenden: Versicherte). Diese litt langjährig an Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein. Diagnostiziert wurden u.a. eine kombinierte Spinalkanalstenose der letzten vier Etagen, eine Pseudospondylolisthesis sowie eine Protrusion der Bandscheibe. Die Versicherte erhielt ausweislich der vorliegenden Unterlagen im Juli 2010 sowie im Januar und April 2011 periradikuläre Therapien (PRT) sowie Facettenblockaden.
Mit Verordnung vom 02.07.2012 verordnete der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Herr L. der Versicherten Krankenhausbehandlung zur „Implantation einer Multifunktionselektrode in den Epidural- oder Spinalraum zur gepulsten Radiofrequenzbehandlung, perkutan“. Am selben Tag unterzeichnete die Versicherte eine „Operations-, Anästhesie - und Kostenübernahmeeinwilligung“. Dort wird u.a. ausgeführt:
„Sie haben sich zu einer schmerztherapeutischen Behandlung entschlossen. Vorgesehen ist:
Stimulation der Rückenmarksnerven, des Rückenmarks und Injektion von Medikamenten über eine Multifunktionselektrode (PASHA-Cath.), sowie die Behandlung der Rückenmarksnerven durch gepulsten Hochfrequenzstrom.
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Vorgehensweise:
1. In der Regel handelt es sich um EINE Sitzung. Die Elektrode wird am Ende des Eingriffes entfernt.
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5. Je nach Erkrankung können entzündungshemmende, abschwellende oder narbenlösende Medikamente injiziert werden.
6. Der Eingriff ist beendet, die Elektrode wird entfernt.
7. Der Patient bleibt maximal 3 Tage stationär. Am ersten Tag wird die Elektrodenbehandlung durchgeführt.
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Komplikationen durch die Anwendung von Medikamenten: Diese hängen von dem Medikament ab - daher arbeiten wir in der Regel nur mit gepulstem Strom ohne Medikamente. …
Kostenübernahme
Die oben aufgeführte Behandlung ist der Allgemeinheit auch spezialisierter Ärzte zum Teil nicht geläufig. Es kann daher bei einigen Versicherungen unter Umständen zu Problemen bei der Kostenerstattung kommen. …
Patienten der gesetzlichen Krankenkassen entstehen KEINE KOSTEN bei stationären Behandlungstagen (ca. 1-3 Tage). Die Kosten werden vollständig übernommen.
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Der Einwilligungserklärung als Anlage beigefügt war eine Graphik mit der Darstellung eines menschlichen Körpers, auf der von Hand eingezeichnete Kreuze an verschiedenen Körperregionen vermerkt waren. Auch diese Graphik war von der Versicherten unterzeichnet. Weiterhin beigefügt war eine ebenfalls von der Versicherten unterzeichnete „Anlage zur Patientenaufklärung“, in der mit dem Eingriff „Infiltrationen im Bereich der Wirbelsäule und des Iliosakralgelenkes“ verbundene mögliche Komplikationen aufgelistet wurden.
Vom 6. bis einschließlich 9. Juli 2012 wurde die Versicherte im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Am Aufnahmetag wurde eine epidurale gepulste Radiofrequenztherapie (ePRF) durchgeführt. Die ePRF erfolgt durch eine in die Nähe der schmerzleitenden Fasern eingebrachte, kleine Elektrode, die sog. Pasha©-Elektrode, mittels der eine hochfrequente Strombehandlung über vier bis sieben Minuten erfolgt. Die Elektrode ist an einem flexiblen Schlauch (Katheter) befestigt. Die Versicherte erhielt mehrfach das Lokalanästhetikum Procain über den epiduralen Katheter, zuletzt am 08.07.2012.
Für die Krankenhausbehandlung stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 20.07.2012 auf der Grundlage der Fallpauschale (DRG) I10C (Andere Eingriffe an der Wirbelsäule, mit bestimmtem komplexen Eingriff oder Halotraktion) und unter Ansetzung des OPS-Kodes 5039.38 (Implantation einer Multifunktionselektrode in den Epidural- oder Spinalraum zur gepulsten Radiofrequenzbehandlung, perkutan) einen Betrag von 5.217,02 EUR in Rechnung, wobei 40 EUR Zuzahlung der Versicherten vom Rechnungsbetrag abgezogen waren.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst. Sodann beauftragte sie den Medizinischen ...