Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Antrag auf höherwertiges Hörgerät. pauschaler Verweis der Krankenkasse auf bestehenden Versorgungsvertrag. unzutreffende Auskunft des Hörgeräteakustikers zum Eigenanteil. Erstattungsstreit. Begrenzung der Mitwirkungspflicht des Versicherten bei Sachverhaltsaufklärung. Krankenkasse muss sich Verhalten des Leistungserbringers vollumfänglich als eigenes zurechnen lassen
Leitsatz (amtlich)
1. Lehnt die Krankenkasse ohne jegliche Ermittlungen einen Antrag des Versicherten auf eine höherwertige Hörgeräteversorgung unter pauschalem Verweis auf die mit den Leistungserbringern bestehenden Versorgungsverträge ab, muss sie sich in einem späteren Erstattungsstreit mit dem Versicherten das Verhalten des Hörgeräteakustikers in vollem Umfang als eigenes zurechnen lassen. Gibt dieser dem Versicherten die (möglicherweise unzutreffende) Auskunft, er sei mit eigenanteilsfreien Geräten nicht ausreichend versorgbar, und entscheidet sich der Versicherte daraufhin für eine höherwertige Versorgung, kann sich die Krankenkasse im Erstattungsstreit nicht darauf berufen, es stünden bei diesem oder anderen Hörgeräteakustiker/n eigenanteilsfreie Geräte zur Verfügung, die der Versicherte noch nicht getestet habe.
2. Zur Begrenzung der Mitwirkungspflichten des Versicherten bei Auslagerung der Versorgungsverantwortung der Krankenkasse an die Leistungserbringer.
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 21. März und 23. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die von ihr zu tragenden Kosten für die Anschaffung des Hörgeräts O.C. 9 von insgesamt 1.244,56 EUR in Höhe von 350 EUR zu erstatten und sie von den übrigen Kosten in Höhe von 894,56 EUR gegenüber der Firma “a. GmbH„ freizustellen.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der bzw. Freistellung von den Mehrkosten für eine höherwertige Hörgeräteversorgung in Höhe von 1.244,56 EUR.
Die 1952 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit links und einer hochgradigen Schwerhörigkeit rechts. Sie benötigt bereits seit ihrem 21. Lebensjahr ein Hörgerät. Sie zog Mitte 2013 von M. nach Berlin um.
Mit Schreiben vom 10. März 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die volle Kostenübernahme für ein neues digitales Hörgerät. Zur Begründung verwies sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und führte aus, sie benötige ein höherwertiges digitales Hörgerät, ein analoges Gerät sei nicht ausreichend. Die Anschaffung des neuen Gerätes befinde sich in der Testphase.
Mit Schreiben/Bescheid vom 21. März 2013 lehnte die Beklagte eine über die Versorgungspauschalen in Höhe von 553,50 EUR hinausgehende Übernahme der Mehrkosten der Hörgeräteversorgung ab. Der Hörgeräteakustiker sei vertraglich verpflichtet, der Klägerin unabhängig vom Schwerhörigkeitsgrad eine eigenanteilsfreie, ausreichende und zweckmäßige Hörgeräteversorgung anzubieten. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Am 3. Mai 2013 gingen bei der Beklagten eine ärztliche Verordnung sowie ein Kostenvoranschlag der Firma Hörgeräte P. in M. für das Hörgerät O.C. 9 über den Festbetrag bzw. die vertragliche Versorgungspauschale in Höhe von 1.055,44 EUR ein. Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die vertraglich vereinbarten Kosten für das Hörgerät in Höhe von 1.055,44 EUR übernehme.
Am 19. Juni 2013 wurde die Klägerin durch die Firma Hörgeräte P. mit dem Hörgerät C.9 der Firma O. versorgt. Die Firma “a. GmbH„ stellte der Klägerin hierfür mit Rechnung vom 1. Juli 2013 einen Eigenanteil in Höhe von insgesamt 1.244,56 EUR in Rechnung, der sich aus dem Gesamtpreis von 2.290 Euro abzüglich des Zuschusses der Krankenkasse in Höhe von 1.055,44 EUR zusammensetzte. Die Klägerin hat hierauf in der Zeit von September 2014 bis zum jetzigen Zeitpunkt in unregelmäßigen Raten insgesamt 350 EUR gezahlt. Der Restbetrag ist nach wie vor offen.
Am 19. Juli 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die volle Kostenübernahme für das Hörgerät C.9 der Firma O. für die rechtsseitige Hörgeräteversorgung. Dem Antrag beigefügt war ein Kostenvoranschlag der Firma “a. GmbH„ über einen Gesamtpreis von insgesamt 2.270 EUR mit einem ausgewiesenen Eigenanteil der Klägerin von 1.746,50 EUR. Ferner beigefügt war ein ärztliches Attest der HNO Poliklinik des Klinikums der Universität M. (Prof. Dr. M.) vom 16. Juli 2013, in dem bestätigt wird, dass sich das Hörgerät C.9 nach den klinikeigenen Messungen als adäquat erwiesen habe. Das Hörgerät habe bei 65 dB ein Sprachverstehen von 15 % Einsilbern, 35 % Einsilber bei 70 dB und 75 % Einsilber bei 80 dB ergeben. Die auswärtigen Messungen des Hörgeräteakustikers (Hörgeräte P.), die auf dem Messprotokoll unter “Messung mit Kassengerät" ...