Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung einer selbständigen Tätigkeit. Weitergewährung des Gründungszuschusses. Ermessensentscheidung. Tragfähigkeit. Erzielung von Gewinnen. Anlaufschwierigkeiten
Orientierungssatz
Für die Weitergewährung eines Gründungszuschusses ist Maßstab der weiteren Prognoseentscheidung die künftig zu erwartende Entwicklung der Tätigkeit. Die Geschäftszahlen aus der ersten Gründungsphase können zwar als wichtiges Indiz für die Tragfähigkeit der Tätigkeit herangezogen werden; allein der Umstand, dass die erzielten Gewinne von den anfangs erwarteten Einnahmen abweichen, rechtfertigt aber dann keinen Schluss auf die Tragfähigkeit, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die weitere Förderung substantiiert dargelegt werden kann, dass künftig bessere Zahlen zu erwarten sind und die bisherigen Einnahmen entweder auf branchenüblichen Anlaufschwierigkeiten oder individuellen Umständen (zB längere Erkrankung, Unfall) beruhen, die das Geschäftskonzept als solches nicht in Frage stellen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2012 verurteilt, den Antrag auf Weitergewährung eines Gründungszuschusses ermessensgerecht zu bescheiden.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Förderung einer Selbständigkeit mit einem Gründungszuschuss in der zweiten Phase nach § 58 Abs. 2 SGB III.
Der Kläger hatte für eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt für die Zeit vom 1.11.2011 bis 31.7.2012 einen Gründungszuschuss erhalten. Er hatte als Gewinn für die Tätigkeit in der ersten Gründungsphase, die er in einer Bürogemeinschaft ausübt, ca. 6.600 € prognostiziert.
Tatsächlich erzielte er in der ersten Gründungsphase nur einen Gewinn von durchschnittlich 3.113 €.
In seinem Antrag auf Weiterförderung erklärte er dies mit Verzögerungen des Geldeingangs nach Erbringung der Leistung. Zugleich hatte er aber auf eine sich abzeichnende Tendenz zur Konsolidierung seiner Selbständigkeit hingewiesen, die sich u. a. in einer steigenden Zahl von Mandaten niederschlage.
Gestützt auf eine sog. "Orientierungshilfe zum Gründungszuschuss Phase II" vom 7.5.2012 lehnte die Beklagte eine Weiterförderung mit der Begründung ab, angesichts der deutlich geringeren Gewinne als anfangs eingeschätzt, sei die Tätigkeit als nicht tragfähig zu werten (Bescheid vom 19.9.2012).
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es auf die künftige Entwicklung ab August 2012 ankomme. Dazu legte er Zahlen und einzelne Mandatsverhältnisse vor und verwies auf eine für die Branche übliche Konsolidierungsphase von 1 bis 2 Jahren.
Die Beklagte hielt dem Kläger im Widerspruchsbescheid vom 13.12.2012 eine § 69 SGB VI entlehnte Orientierungsgröße zur Beurteilung der Selbständigkeit entgegen; danach sei ein monatlicher Gewinn von ca. 1730 € erforderlich, um auszuschließen, dass die 300 €-SV-Pauschale zweckwidrig für den Lebensunterhalt eingesetzt werden müsse.
Angesichts der hohen Anwaltsdichte in Berlin seien bessere Erträge im Übrigen nicht zu erwarten.
Hiergegen richtet sich die am 16. Januar 2013 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage. Der Kläger trägt ergänzend unter Darstellung aktueller Zahlen vor, dass er seit August 2012 stetig wachsende Einnahme habe, seit Dezember 2012 sogar in einer Höhe über 1730 € monatlich, sofern man auf diese - sachfremde - Bezugsgröße abstelle.
An der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit könne daher nicht gezweifelt werden.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2012 zu verurteilen, den Antrag auf Weiter-gewährung eines Gründungszuschusses ermessensgerecht zu bescheiden.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die beigezogene Verwaltungsakte und die vom Kläger eingereichte Einkommensübersicht mit Schriftsatz vom 7.3.2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. So wie die Umstände hier liegen, muss die Beklagte zwar keine Anschluss-Förderung leisten (Ermessensreduktion auf Null), die zur Ablehnung angeführten Gründe lassen jedoch erkennen, dass kein Einzelfallermessen ausgeübt wurde.
Der Kläger hat daher Anspruch auf eine ermessensgerechte Entscheidung über seinen Förderantrag.
Maßstab für die Ermessensentscheidung ist § 58 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 132 SGB III. Nach § 58 Abs. 2 SGB III a. F. kann die Selbständigkeit für weitere sechs Monate mit 300 € gefördert werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt.
Das hat der Kläger unstreitig getan. Maßstab der weiteren Prognose-Entscheidung ist die künftig zu erwartende Entwicklung der Tätigkeit. Dabei kann die Beklagte die Geschäftszahlen aus der ersten Gründungsphase zwar als wichtiges Indiz für die Tragfähigkeit der T...