Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 3a SGB 5. Erfordernis einer fortführungsfähigen Praxis. Beurteilung anhand der Tätigkeit des einzelnen Vertragsarztes. Ausschluss eines Vorverfahrens gem § 103 Abs 3a S 11 SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung des Vorliegens eines sog Praxissubstrats als Voraussetzung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs 3a SGB 5 bei Berufsausübungsgemeinschaften kommt es darauf an, ob der Vertragsarztsitz des ausscheidenden Arztes noch in einem Umfang bestand, der eine fortführungsfähige Praxis begründet. Es ist nicht auf die gesamte BAG abzustellen.

2. Auch die Ablehnung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens wegen Fehlen eines Praxissubstrats fällt unter § 103 Abs 3a SGB 5 und ist damit vom Ausschluss des Vorverfahrens im S 11 der Vorschrift erfasst.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen B 6 KA 46/17 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 7, die diese selbst tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages.

Die Klägerin nimmt als Fachärztin für Chirurgie am Vertragsarztsitz S.Straße , …. B. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie ist gemeinsam mit der ebenfalls mit einem vollen Versorgungsauftrag vertragsärztlich tätigen Fachärztin für Chirurgie Dr. S. in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig. In dieser BAG war bis zu seinem Tod am 19. Mai 2015 ebenfalls der Facharzt für Chirurgie Herr F. tätig, der seit seiner Zulassung am 1. Juli 2011 ebenfalls mit einem vollen Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2015 übertrug Herr F. alle Rechte in Bezug auf die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens auf die Klägerin. Mit Schreiben vom 18. März 2016 erklärte die alleinige Erbin des Herrn F., Frau F., dass sie keinen Anspruch auf den Vertragsarztsitz erheben würde und der Übertragung der Rechte auf die Klägerin zustimme. Dieses Schreiben lag im Verwaltungsverfahren vor.

In der Zeit des Quartales I/2012 bis IV/2014 nahm er F. wie folgt an der vertragsärztlichen Versorgung teil:

Quartal

Fallzahl

Fallzahl der Fachgruppe im Durchschnitt

I/2012

70    

784,38

II/2012

57    

775,08

III/2012

60    

766,02

IV/2012

53    

703,13

II/2013

24    

778,14

III/2013

93    

786,85

IV/2013

107     

740,34

I/2014

87    

767,03

II/2014

132     

778,23

III/2014

77    

764,47

IV/2014

1       

733,46

Fehlzeiten aus gesundheitlichen Gründen waren der Beigeladenen zu 1) für die Zeit 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 gemeldet.

In der Zeit III/2014 bis III/2015 hatte die BAG der Klägerin folgende Behandlungsfallzahlen:

Quartal

Fallzahl BAG

III/2014

2.298 

IV/2014

1.958 

I/2015

2.032 

II/2015

2.222 

III/2015

2.286 

Am 16. Juli 2015 stellte die Klägerin den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens.

Diesen lehnte der Zulassungsausschluss mit Beschluss vom 9. Februar 2015 hinsichtlich des vollen Versorgungsauftrages ab und stimmte ihm hinsichtlich eines halben Versorgungsauftrages zu. Das begründete er im Wesentlichen damit, dass die Nachbesetzung nur im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages geboten sei, da Herr F. nur unzureichend an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen habe.

Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass der Widerspruch beim Berufungsausschuss binnen eines Monats zulässig sei.

Am 16. März 2015 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses hinsichtlich des weiteren hälftigen Versorgungsauftrages, für den die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens abgelehnt wurde.

Diesen Widerspruch wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 3. Mai 2016 als unzulässig zurück. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass ihm eine Entscheidung wegen der Vorschrift des § 103 Abs. 3a S. 11 SGB V verwehrt sei, weil der Zulassungsausschuss die Zurückweisung nicht deutlich allein auf das Fehlen eines Praxissubstrats gestützt habe.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage ist unter dem Aktenzeichen S 83 KA 1002/16 anhängig.

Am 11. Mai 2016 hat die Klägerin Klage gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 9. Dezember 2015 hinsichtlich der Ablehnung des Nachbesetzungsverfahrens für den weiteren hälftigen Versorgungsauftrag erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass zwar der Ausschluss des Vorverfahrens nach § 103 Abs. 3a S. 11 SGB V nicht eingreife, wenn die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens mangels Vorliegens eines Praxissubstrats abgelehnt werde. Da aber eine Klage zulässig sein müsse, werde die Zulässigkeit unterstellt. Die Klägerin rügt weiter die Vollmacht des im Klageverfahrens für den Beklagten handelnden Leiters der Hauptabteilung Bedarfsplanung und Zulassung Herr P. Weiter trägt sie vor, dass das Nachbesetzungsverfahren hinsichtlich auc...

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