Orientierungssatz
1. Das schwierige und belastete Verhältnis des Erben zum Hilfeempfänger begründet keine Härte iS von § 92c Abs 3 Nr 3 BSHG.
2. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 92c BSHG konstituierte Erbenhaftung, weil die Haftung auf den Wert des vorhandenen Nachlasses begrenzt und somit eine Schlechterstellung des Erben gegenüber der Rechtsposition, die er vor dem Erbfall hatte, verhindert wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 38.693,19 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen ihre Inanspruchnahme aus der Erbenhaftung gemäß § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Die Klägerin ist die Tochter und Erbin des 1917 geborenen und 1996 verstorbenen Hilfeempfängers ... (im Folgenden der Hilfeempfänger), der langjährig von dem Beklagten Leistungen der Sozialhilfe bezogen hat.
In dem Zeitraum von 10 Jahren vor dem Tod des Hilfeempfängers, von 1986 bis 1996, bezog dieser von dem Beklagten insgesamt Sozialhilfeleistungen in Höhe von 148.066,76 DM.
Der Hilfeempfänger war Eigentümer eines im Beitrittsgebiet liegenden Grundstücks (... in G.). Selbst genutzt wurde dieses Eigentum von dem Hilfeempfänger nicht, es stellte für den Hilfeempfänger aber aufgrund der politischen Situation im Beitrittsgebiet auch kein verwertbares Vermögen dar und wurde von dem Beklagten daher bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht weiter berücksichtigt. Nach der politischen Wende im Beitrittsgebiet und der Deutschen Einheit verblieb das Grundstück bis zum 31. Dezember 1992 in staatlicher Verwaltung, aus der es ohne Zutun des Hilfeempfängers oder des Beklagten zum 01. Januar 1993 entlassen wurde. Der Hilfeempfänger hat danach keinerlei Versuche zur Verwertung des Vermögens bzw. zur Geltendmachung seiner Rechte an dem Grundstück unternommen. Er ist von dem Beklagten hierzu auch nicht aufgefordert worden. In dem Zeitraum vom 22. Januar 1986 bis 31. Dezember 1992 betrug die Summe der dem Hilfeempfänger gezahlten Sozialhilfe 85.980,00 DM. Im gleichen Zeitraum ist es allerdings zur Erstattung von Wohngeld in Höhe von insgesamt 7211,50 DM gekommen, so dass zu Lasten des Beklagten ein Aufwendungssaldo von 78.639,30 DM besteht. Nach dem Tod des Hilfeempfängers im Januar 1996 wurde die Klägerin seine Erbin. Das Erbe hatte nach Abzug der sonstigen Nachlassverbindlichkeiten einen Wert von 122.902,33 DM. Dieser setzt sich aus dem Guthaben des Girokontos des Hilfeempfängers sowie mehreren Sparanlagen und Leistungen des Krankenversicherungsträgers von Todes wegen zusammen. Den wirtschaftlichen Großteil des Erbes machte jedoch das oben genannte Grundstück in G aus. Nach längeren Verhandlungen mit den auf dem Grundstück wohnenden Nutzern über den Verkauf des Grundstücks, konnte die Klägerin durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 25. April 2005 einen Verkaufserlös in Höhe von 55.900,00 EUR erzielen.
Bereits mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 hatte der Beklagte einen Kostenersatzanspruch aus dem Erbe nach § 92 c BSHG in Höhe von 148.066,76 DM, also in Höhe der gesamten, innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren vor dem Erbfall geleisteten Sozialhilfe, gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Diese erhob dagegen am 04. Januar 1999 Widerspruch. Das Widerspruchsverfahren zog sich aufgrund der Länge der Verkaufsverhandlungen hinsichtlich des geerbten Grundstückes hin und konnte erst nach Abschluss des Vertrages vom 25. April 2005 seinen Abschluss finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2005 gab der Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und wies ihn im Übrigen zurück. Er reduzierte seine Forderung auf 38.693,19 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass der Kostenersatzanspruch nach § 92 c BSHG nur für rechtmäßig bewilligte Sozialhilfe gelte, und daher nur für den Zeitraum vor dem 01. Januar 1993 in Betracht käme, da die Sozialhilfezahlung danach allenfalls als Darlehen hätte ergehen dürfen. Von dem Betrag der in dem Zeitraum vom 22. Januar 1986 bis 31. Dezember 1992 gezahlten Sozialhilfe zog der Beklagte den Erbenfreibetrag nach § 93 c Abs. 3 Nr. 1 in Verb. mit § 81 Abs. 1 BSHG in Höhe von 3012,00 DM ab und errechnete so den genannten Betrag.
Mit der am 27. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen die Inanspruchnahme aus dem Erbe in Höhe von 38.693,19 EUR. Sie ist der Auffassung, dass ihre Inanspruchnahme unter Berücksichtigung der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte im Sinne von § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG darstellen würde und deshalb nicht statthaft sei. Die Begründung der Härte liege in der Biografie der Klägerin bzw. ihrer Beziehung zu dem Hilfeempfänger. Diese war von frühester Jugend an von Vernachlässigung und Gewalttätigkeit geprägt. Die Klägerin schildert, dass sie immer wieder den Versuch unternommen habe, zu ihrem Vater eine normale persönliche Beziehung aufzubauen, darin aber immer wieder enttäuscht worden ist und auch körperlichen Misshandlungen ausgesetzt war. Sie schilde...