Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der Aufnahme einer selbständigen Beschäftigung. Gründungszuschusses. Höhe. Bemessung nach dem ungekürzten, zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld. keine Anrechnung von Nebeneinkommen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Normzweck und Anreizeffekt des § 57 SGB 3, wonach generell und ohne Differenzierung nach der Art der Selbständigkeit oder der zuvor ausgeübten Nebentätigkeit, die Beendigung der Arbeitslosigkeit unterstützt werden soll, wird durch eine am Arbeitslosengeld-Stammrecht orientierte Bemessung des Gründungszuschusses erreicht; das bedeutet, dass sich die Bemessung des Gründungszuschusses nach dem ungekürzten, zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld richtet.

2. Dem steht der Wortlaut des § 58 SGB 3 "zuletzt bezogener Betrag" nicht entgegen: Das Bundessozialgericht hat in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung, dass ein und derselbe Begriff ("Bezug") je nach Sachzusammenhang unterschiedlich ausgelegt werden muss, entschieden, dass der Zuschlag nach Arbeitslosengeld-I-Vorbezug gemäß § 24 SGB 2 auch im Fall einer Kürzung wegen Nebeneinkommens an der Höhe des Arbeitslosengeld-I-Stammrechts auszurichten ist (BSG vom 31.10.2007 -B 14 AS 30/07 R= SozR 4-4200 § 24 Nr 2). Auch in § 24 SGB 2 ist von dem "zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld" die Rede, und es geht nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ebenfalls darum, einen bestimmten, vom Arbeitslosengeld I plus Nebeneinkommen bestimmten Lebensstandard (begrenzt) aufrecht zu erhalten.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 verurteilt, dem Kläger Gründungszuschuss nach dem zuletzt bezogenen, ungekürzten Arbeitslosengeld (803,40 €) zu gewähren.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III.

Der Kläger hatte auf eine Arbeitslosmeldung zum 10.6.2008 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe eines kalendertäglichen Leistungssatzes von 26,78 € erhalten. Ausgezahlt wurden wegen Anrechnung von Nebeneinkommen seit Juli 2008 jedoch nur 10,44 € kalendertäglich.

In Höhe dieses Zahlbetrages war dem Kläger für eine selbständige Tätigkeit mit Beginn 1. Oktober 2008 ein Gründungzuschuss gewährt worden (Bescheid vom 29.9.2008).

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; die Nebentätigkeit habe sich seit Oktober 2008 deutlich reduziert und sei im Dezember 2008 ganz ausgelaufen. Gestützt auf die Vorschrift des § 58 SGB III wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 als unbegründet zurück; maßgebend sei der Zahlbetrag des zuletzt bezogenen Alg.

Mit der am 9.12.2008 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er müsse den Betrag des erworbenen Alg-Stammrechts als Gründungszuschuss erhalten.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008 zu verurteilen, den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten Arbeitslosengeld zu bemessen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten, zuletzt bezogenen Alg.

Auf den ersten Blick sprechen zwar gute Argumente für die Auffassung der Beklagten, vor allem, wenn es um die Ausweitung einer Nebentätigkeit zum Hauptberuf geht, wie es auch hier der Fall ist. Dann scheint es auf den ersten Blick nicht einsehbar, warum der Antragsteller mit dem ungekürzten Gründungzuschuss plus dem Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit besser gestellt werden soll als mit dem gekürzten Alg I plus dem Einkommen aus der Nebentätigkeit, die ja üblicherweise nicht wegfällt, sondern über die Kurzzeitigkeitsgrenze ausge-dehnt wird (dazu BayLSG vom 30.4.2008 - info also 2008, Heft 6 S. 266 ff),.

Gegen die Auslegung des BayLSG spricht jedoch der Normzweck des § 57 SGB III, generell und ohne Differenzierung nach Art der Selbständigkeit oder der zuvor ausgeübten Nebentätigkeit, die Beendigung der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Dieser Anreizeffekt wird wesentlich besser mittels einer am Alg-Stammrecht orientierten Bemessung des Gründungszuschusses erreicht.

Der Wortlaut des § 58 SGB III “zuletzt bezogener Betrag„ steht dem nicht entgegen. Denn jüngst hat das BSG in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung, dass ein und derselbe Begriff (“Bezug„) je nach Sachzusammenhang unterschiedlich ausgelegt werden müsse, entschieden, dass der Zuschlag nach Alg I-Vorbezug gemäß § 24 SGB II auch im Fall einer Kürzung wegen Nebeneinkommen an der Höhe des Alg I-Stammrechts auszurichten sei (Urteil vom 30.10.2007 - B 14 AS 30/07 R).

Die genannte Entscheidun...

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