Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. kein Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens hinsichtlich eines halben Vertragsarztsitzes. Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Es besteht kein Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens hinsichtlich eines halben Vertragsarztsitzes, wenn die Entziehung der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erfolgte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2019; Aktenzeichen B 6 KA 14/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die dies selbst tragen.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens hinsichtlich eines halben Vertragsarztsitzes nach einer Entziehung der Zulassung im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages.

Der Kläger war vom 01.04.2009 bis zum 28.08.2015 als ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages zu Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Datum vom 12.11.2014 verzichtete der Kläger auf die hälftige Zulassungsentziehung, um sich als Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen zu lassen. Am 14.01.2015 beantragte die Beigeladene zu 1) beim Beklagten die Entziehung der Zulassung im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages. Mit Beschluss vom 27.02.2015 entzog der Beklagte dem Kläger die Zulassung im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages und führte zur Begründung aus, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit in nennenswertem Umfang schon seit mehreren Jahren nicht stattgefunden habe. Seit dem Jahr 2010 finde die Versorgung nur in einem weit unterdurchschnittlichen Umfang statt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 22.07.2015 zurück. Mit Schreiben vom 09.07.2015 begründete der Kläger seinen Widerspruch gegen den Beschluss vom 27.02.2015. In diesem Schreiben beantragte er zudem, die Aussetzung der Entscheidung über den Antrag auf Anstellung nach Verzicht durch den Zulassungsausschuss für unzulässig zu erklären. Zwischenzeitlich habe er seinen Verzicht zurückgenommen und einen Aufhebungsvertrag mit dem MVZ B. abgeschlossen.

Mit Beschluss vom 22.07.2015 wies der Berufungsausschuss den Widerspruch gegen den Beschluss vom 27.02.2014 zurück. Dabei legte er seiner Beurteilung, dass die Entziehung der Zulassung im Umfang eines halben Versorgungsauftrages wegen Nichtausübung der ärztlichen Tätigkeit im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages zu Recht erfolgt sei, folgende von der Beigeladenen zu 1) eingereichten Zahlen zugrunde:

Quartal

Fallzahl

KTFG-FZSchnitt

20103

8

36,9

20104

11

35,99

20111

9

37,41

20112

9

37,14

20113

8

37,13

20114

8

37,43

20121

6

39,03

20122

4

38,22

20123

4

38,09

20124

7

38,36

20131

9

39,51

20132

10

39,88

20133

11

39,11

20134

11

39,78

20141

11

40,57

20142

10

39,97

20143

10

39,82

20144

10

39,02

20151

11

-

Zudem wurden die von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Prüfzeiten nach EBM zugrunde gelegt:

Quartal

Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit

20133

2 Stunden 54 Minuten

20134

2 Stunden 04 Minuten

20141

2 Stunden 1 Minute

20142

2 Stunden 06 Minuten

Mit Schreiben vom 17.09.2015 verzichtete der Kläger ausdrücklich auf Rechtsmittel gegen den Bescheid des Berufungsausschusses. Seit dem 01.10.2016 ist der Kläger als angestellter Arzt im „MVZ D…“, zu dessen Gunsten er auf seine hälftige Zulassung verzichtet hatte, tätig.

Am 07.03.2016 beantragte der Kläger beim Beklagten die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für die ihm entzogene Zulassung im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages. Mit Beschluss vom 22.04.2016 lehnte der Beklagte die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens ab. Die bestandskräftige Entziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit stehe der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Entziehung einer hälftigen Zulassung nicht nur in den Fällen denkbar, in denen einem Vertragsarzt seine hälftige Zulassung wegen nicht mehr ausreichender Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen werde. Insbesondere in den von § 21 Abs. 1 S. 1 der Bedarfsplanungsrichtlinie geregelten Fällen von sog. Doppelzulassungen in zwei verschiedenen Fachgebieten, komme eine hälftige Entziehung aus anderen Gründen als der Nichtausübung in Betracht. Insofern laufe die gesetzliche Regelung des § 103 Abs. 4 S. 2 SGB V nicht leer. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des BSG vom 19.10.2010 (Az. B 6 KA 23/11). Vorliegend bestehe hinsichtlich der entzogenen Hälfte der Zulassung des Klägers kein eine Ausschreibung rechtfertigendes Praxissubstrat. Aufgrund des Fehlens des Substrats sei die Zulassung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrage...

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