Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verhältnis zur Sozialhilfe. gemischte Bedarfsgemeinschaft mit einem Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bezug von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung. kein aufstockender Sozialgeldanspruch aufgrund unterschiedlicher Einkommensberechnung. kein Abzug der Versicherungspauschale für Beiträge der Kfz-Haftpflichtversicherung in der Sozialhilfe. Nichtvorliegen einer Bedarfslücke
Orientierungssatz
1. Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 und der Sozialhilfe nach dem 3. Kapitel des SGB 12 handelt es sich um zwei Leistungssysteme, die hinsichtlich ihrer Existenzsicherungsleistungen nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern gleichrangig und selbständig nebeneinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen.
2. Sozialgeld für Angehörige in einer (gemischten) Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB 2 einerseits und Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff SGB 12 andererseits stehen jedoch gemäß § 5 Abs 2 S 2 SGB 2 nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis, sondern in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sodass eine dem Grunde nach bestehende Leistungsberechtigung nach dem 4. Kapitel des SGB 12 einen Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB 2 nicht ausschließt (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 und BSG vom 28.11.2018 - B 4 AS 46/17 R = SozR 4-4200 § 5 Nr 5).
3. Gleichwohl entspricht es weder Wortlaut, Gesetzesbegründung noch Sinn und Zweck der Regelung des § 19 Abs 1 S 2 SGB 2, einen aufstockenden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 allein aufgrund der unterschiedlichen Bereinigung von Einkommen im SGB 2 und SGB 12 im Hinblick auf die Berücksichtigung von Beiträgen zur Kfz-Haftpflichtversicherung zu begründen. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 kommt nur in Betracht, wenn gar kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen besteht.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von (ergänzenden) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.2.2018 bis 31.1.2019.
Der 1969 geborene und erwerbsunfähige Kläger, der mit seiner Ehefrau in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bezieht eine laufende (Dauer-)Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese betrug 493,94 € in den Monaten Februar 2018 bis Juni 2018, 509,85 € in den Monaten Juli 2018 bis Dezember 2018 und 509,57 € im Januar 2019. Zudem bezog der Kläger ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von monatlich 237,93 € in den Monaten Februar 2018 bis Juni 2018 (Bescheid vom 3.1.2018), monatlich 222,02 € in den Monaten Juli und August 2018 (Bescheid vom 29.6.2018), monatlich 222,02 € in den Monaten September 2018 bis Dezember 2018 (Bescheid vom 17.9.2018) sowie 277,96 € im Januar 2019 (Bescheid vom 4.1.2019). Die vom Kläger zu entrichtenden (Jahres-)Beiträge zu seiner Kfz-Haftpflichtversicherung - für die Monate Januar 2018 bis Dezember 2018 in Höhe von 379,85 € und für die Monate Januar 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von 387,65 € - berücksichtigte das Bezirksamt (Sozialamt) bei der Leistungsermittlung nicht einkommensmindernd. Auch sonstige Versicherungsbeiträge wurden (mangels Versicherungen des Klägers) nicht berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 9.1.2018 (die Monate Februar 2018 bis Januar 2019 betreffend) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8.2.2018 (die Monate März 2018 bis Januar 2019 betreffend) bewilligte der Beklagte der Ehefrau des Klägers (ausgehend vom Regelbedarf i.H.v. 374 € zuzüglich Mehrbedarf für Warmwasser in Höhe von 8,60 € zuzüglich hälftiger Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 285,69 €) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Februar 2018 in Höhe von 668,29 €, März bis Juni 2018 in Höhe von monatlich 580,29 € und Juli 2018 bis Januar 2019 in Höhe von monatlich 668,20 €. Für den Kläger lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab. Der Kläger sei aufgrund seines Alters vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl. Bescheid vom 9.1.2018). Den am 30.1.2018 vom Kläger gegen den Bescheid vom 09.01.2018 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte (unter Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 08.02.2018) mit Widerspruchsbescheid vom 22.2.2018 (nunmehr) mit der Begründung zurück, dass aufgrund des bestehenden Anspruchs auf Leistung der Grundsicherung nach dem SGB XII ein Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sei.
Mit seiner am 6.3.2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Leistungen nach dem SGB II weiter. Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf ergänzendes Sozialgeld gemäß § 19 Abs. ...