Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. freundschaftliche Gefälligkeit. Mithilfe bei der Renovierung einer Wohnung
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich schließen Verwandtschafts-, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 nicht aus (vgl BSG vom 28.5.1957 - 2 RU 150/55 = BSGE 5, 168; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 = SozR 2200 § 539 Nr 55 und vgl LSG Mainz vom 15.6.1994 - L 3 U 43/94).
2. Die Vorschrift des § 539 Abs 2 RVO bzw des § 2 Abs 2 SGB 7 ist so auszulegen, dass Versicherungsschutz auch dann gewährt werden soll, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggf nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist. Dies kommt immer dann in Betracht, wenn eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die von der Handlungstendenz her einem fremden Unternehmen dienen soll, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist und nicht maßgeblich auf einer Sonderbeziehung zum Unternehmer zum Beispiel als Verwandter oder Freund beruht.
3. Ein erheblicher zeitlicher Umfang der verrichteten Tätigkeiten und eine weitgehende Weisungsgebundenheit des Antragstellers sprechen für eine arbeitnehmerähnliche Verrichtung der unfallbringenden Tätigkeit.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom 2. Juli 1994 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 2. Juli 1994 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Unfalls vom 2. Juli 1994 als Versicherungsfall.
Am 2. Juli 1994 half der Kläger seinem Freund und Arbeitskollegen, Herrn G. Sch, bei der Renovierung seiner Wohnung und stürzte bei der Verlegung und dem Anschluss von Elektroleitungen in Unterputzdosen von der Leiter, wobei er sich Trümmerbrüche an beiden Handgelenken zuzog.
Mit Schreiben vom 2. August 2007, bei der Beklagten eingegangen am 9. August 2007, beantragte der Kläger die Anerkennung des Ereignisses vom 2. Juli 1994 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die zum Unfall führende Tätigkeit sei als freundschaftliche Hilfeleistung zu verstehen. Er habe bei der Renovierung der 5-Zimmer-Wohnung seines Freundes über einen Zeitraum von circa drei Monaten jeweils an den Wochenenden mitgeholfen.
Durch Bescheid vom 27. November 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalls vom 2. Juli 1994 als Arbeitsunfall ab. Für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit spreche zwar, dass es sich bei der Durchführung der Renovierungsarbeiten um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gehandelt habe, die dem Unternehmen “Haushalt„ seines Freundes gedient und dem Willen des Unternehmers entsprochen habe. Die Tätigkeit sei mit eindeutig fremdnütziger Handlungstendenz in erheblichem zeitlichen Umfang verrichtet worden.
Dagegen sei die Tätigkeit nicht eindeutig unter Umständen, die einem Beschäftigungsverhältnis entsprechen, verrichtet worden. Denn ein Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmer habe ebenso wenig vorgelegen wie eine Eingliederung in dessen Betrieb beziehungsweise Unternehmen. Dies ergebe sich aus den Schilderungen des Klägers, nach denen sich die Arbeit im Rahmen freundschaftliche Hilfeleistung bewegt habe. Es habe auch keine Weisungsgebundenheit bestanden, sondern der Kläger sei frei in der Entscheidung gewesen, wann, wo und wie er tätig werden wollte. Ferner seien keine Zeitabsprachen (geregelte Arbeitszeit) getroffen worden. Bei Gefälligkeitshandlungen, die unter Freunden vorgenommen würden und von freundschaftlichen Beziehungen geprägt seien, bestehe kein Versicherungsschutz, wenn sie ihr gesamtes Gepräge von den freundschaftlichen Bindungen erhielten. Um eine derartige Tätigkeit handele es sich hier.
Hiergegen legte der Kläger mit am 18. Dezember 2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im folgenden über seine Verfahrensbevollmächtigte vor, der kollegiale bis freundschaftliche Charakter der Beziehung zu Herrn Sch stehe einem Versicherungsschutz nicht entgegen, da die dem Unfall zu Grunde liegende Tätigkeit über eine wechselseitig erwartete Unterstützung in Alltagsdingen unter Freunden hinausgehe. Es handele sich nicht nur um die üblichen Hilfen beim Renovieren, sondern um schwere, längerfristige Arbeiten, die Fachkenntnisse erforderten. Es seien Elektroleitungen unter Putz verlegt worden. Der unebene Küchenboden sei mit einem Spanplattenunterb...