Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für erwerbsfähige Unionsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche in der Zeit vor dem Inkrafttreten der EGV 883/2004 am 1.5.2010. polnischer Staatsangehöriger. europarechtskonforme Auslegung. keine Geltung des Europäischen Fürsorgeabkommens in Polen
Leitsatz (amtlich)
Soweit er sich auf Unionsbürger bezieht, die nicht Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens sind, und soweit er sich auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 bezieht, bestehen jedenfalls für Zeiträume vor dem Inkrafttreten der EGV 883/2004 vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit keine Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses aus § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 (in der seit 28.8.2007 geltenden Fassung) mit höherrangigem Recht.
Orientierungssatz
Die Republik Polen ist (bislang) kein Signatarstaat des Europäischen Fürsorgeabkommens und damit nicht Partei dieses völkerrechtlichen Vertrages.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) dem Grunde nach an die Kläger für den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008.
Die 1969 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des am ….1990 geborenen Klägers zu 2) und des am …1992 geborenen Klägers zu 3).
Die Kläger sind polnische Staatsangehörige. Nach einem kurzen Aufenthalt von Juli 1997 bis April 1998 hält sich die Klägerin zu 1) seit dem 01.09.2004 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Kläger zu 2) und 3) leben seit Mai 2005 bei ihrer Mutter in Berlin.
In den Monaten Februar 2005 bis einschließlich Mai 2005 war die Klägerin zu 1) selbständig tätig, aus ihrer selbständigen Tätigkeit erzielte sie monatliche Überschüsse zwischen 389,73 Euro und 652,10 Euro. Nach Mai 2005 war die Klägerin zu 1) nicht wieder erwerbstätig.
Am 15.03.2005 erteilte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin der Klägerin zu 1) eine Bescheinigung (Bl. 9 der Verwaltungsakte) über das gemeinschaftliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU).
Am 17.01.2008 erteilte die Agentur für Arbeit Berlin-Süd der Klägerin zu 1) eine unbefristete Arbeitsberechtigung-EU (Verwaltungsakte Bl. 10).
Während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums bewohnten die Kläger gemeinsam mit dem am 27.02.1991 geborenen, weiteren Sohn der Klägerin zu 1), M… A…, eine 74m² große Drei-Raum-Wohnung in der P…straße in Berlin, für die sie monatlich 690,00 Euro zu zahlen hatten, davon 520,00 Euro Nettokaltmiete, 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 90,00 Euro Heizkostenvorschuss (Verwaltungsakte Bl. 24ff.).
Am 31.01.2008 beantragte die Klägerin für 1) für die Kläger bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Den Antragsunterlagen fügte die Klägerin zu 1) eine Erklärung vom 05.02.2008 bei, in der sie angab, als Arbeitssuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein (Verwaltungsakte Bl. 11).
Den Leistungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2008 ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch lägen nicht vor, da sich das Aufenthaltsrecht der Kläger allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe (Verwaltungsakte Bl. 38). Den hiergegen am 25.02.2008 erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 (W …) als unbegründet zurück. Die Klägerin zu 1) sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Aufgrund der Aktenlage und nach der eingereichten Arbeitsberechtigung-EU ergebe sich, dass sich die Klägerin zu 1) lediglich zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte.
Mit ihrer am 18.03.2008 ursprünglich auch für M… A… erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.02.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 und verfolgen ihr Leistungsbegehren weiter. Sie tragen vor, die Kläger hätten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) sei ursprünglich wegen ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit freizügigkeitsberechtigt gewesen, daraus hätten ihre drei Söhne ein Aufenthaltsrecht herleiten können. Durch die Aufnahme ihrer Schulausbildung hätte den Klägern zu 2) und 3) ein Aufenthaltsrecht aus § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zugestanden, von dem wiederum die Klägerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht habe ableiten können.
Mit Schriftsatz vom 05.11.2009 hat die Klägerseite die für M… A… erhobene Klage zurückgenommen und den Gegenstand des Klagebegehrens in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 beschränkt.
Die Kläger beantragen nu...