Leitsatz (amtlich)
1. Zum unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers.
2. Erwerbsfähige Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.
3. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von Sozialhilfe ist mit Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 verurteilt, dem Kläger für Oktober 2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von 75,90 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird für den Beklagten nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten für September bis Oktober 2015 in Höhe von monatlich 545,50 EUR, hilfsweise Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beigeladenen für den gleichen Zeitraum in gleicher Höhe.
Der 1991 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Lettland.
Der Kläger ist im Juli 2014 nach Deutschland eingereist. Er war in der Zeit vom 1. bis 6. Mai 2015 als Küchenhilfe beschäftigt und hat hierfür ein Entgelt von 38,25 EUR erhalten. Ferner hat der Kläger vom 16. September 2015 bis 23. September 2015 als Küchenhilfe gearbeitet und hierfür ein Entgelt von 127,50 EUR erhalten.
Der Kläger hat eine monatliche Miete von 360,00 EUR zu entrichten.
Der Kläger stellte am 6. März 2015 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), den der Beklagte ablehnte (Ablehnungsbescheid vom 27. März 2015, Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. Mai 2015). Hiergegen erhob der Kläger am 4. Juni 2015 Klage zum Sozialgericht Berlin, welche nunmehr unter dem Aktenzeichen S 190 AS 8757/15 geführt wird. Dort beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.
Der Kläger stellte bei dem Beklagten am 30. September 2015 einen weiteren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diesen lehnte der Beklagte ebenfalls ab (Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015). Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, seien von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen. Der Kläger sei weder Arbeitnehmer noch Selbständiger.
Hiergegen erhob der Kläger am 3. November 2015 Widerspruch. Der Kläger sei weiterhin Arbeitnehmer, denn die Beschäftigungsverhältnisse seien nicht beendet. Die jeweiligen Kündigungserklärungen seien unwirksam.
Nachdem der Kläger zum 29. Oktober 2015 eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 50 Stunden zu einer Vergütung von 9,00 EUR brutto pro Stunde eingegangen ist, bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II ab 1. November 2015 (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2015). Die Vergütung wird erst im Folgemonat ausgezahlt. Über anderweitiges Einkommen verfügt der Kläger nicht.
Den Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015 hob der Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 auf (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Den Widerspruch wies er im Übrigen “nach Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 15.12.2015„ als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Der Kläger habe erst seit 1. November 2015 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung inne. Dem sei durch die Teilabhilfe ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen worden.
Mit der am 26. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger meint, wegen der unwirksamen Kündigungserklärungen seiner ehemaligen Arbeitgeber habe er weiterhin den Status als Arbeitnehmer. Sofern dies nicht der Fall sei, habe er einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen, da er sich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalte.
Mit Beschluss vom 5. April 2016 hat das Gericht das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln, beigeladen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen,
hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Antrags zu 1.),
2. den Beigeladenen zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verh...