Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Mindestbeitrag gem § 161 SGB 7. Festsetzung der Höhe durch Satzung. rechtswidrige Satzungsbestimmung: Übertragung auf den Vorstand. Vorbehalt des Gesetzes. ausreichende Bestimmtheit von Gesetzen

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vom Unfallversicherungsträger ein Mindestbeitrag nach § 161 SGB 7 erhoben, so muss die Satzung selbst die Höhe des Mindestbeitrags festsetzen oder zumindest die Kriterien benennen, die für die Bestimmung des Mindestbeitrags maßgebend sind; die Übertragung dieser Befugnis auf den Vorstand ist unzulässig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.12.2014; Aktenzeichen B 2 U 11/13 R)

 

Tenor

Der Beitragsbescheid der Beklagten für das Jahr 2008 vom 24. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2009 wird aufgehoben, soweit der darin festgesetzte Gesamtbeitrag 9,93 Euro übersteigt.

Der Vorschussbescheid der Beklagten für das Jahr 2009 vom 24. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2009, geändert durch den Beitragsbescheid für das Jahr 2009 vom 23. April 2010, wird aufgehoben, soweit der darin festgesetzte Gesamtbeitrag 45,76 Euro übersteigt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung streitig. Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte den rechnerisch ermittelten Beitrag angehoben hat auf einen Mindestbeitrag.

Am 2. Mai 2005 fasste der Vorstand der Beklagten einen Beschluss. Dieser lautet: “Der Mindestbeitrag nach § 26 Abs. 6 der Satzung beträgt 100 Euro.„

Der Kläger betreibt seit dem 5. September 2006 ein Unternehmen für Hausreinigung und Hauswartungsarbeiten als Einzelunternehmen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 13. November 2006 unter Bezugnahme auf § 136 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) den Beginn ihrer Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers zum 5. September 2006 fest. Mit Bescheid vom selben Tag veranlagte die Beklagte das Unternehmen des Klägers zur Tarifstelle 400 (Gewerbezweig: “Gebäude- und Straßenreinigung„, Gefahrklasse: 4,50) des ab dem 1. Januar 2006 geltenden Gefahrtarifs. Der Bescheid über die Zuständigkeit und der Veranlagungsbescheid wurden vom Kläger nicht angefochten.

Unter dem 24. April 2009 erließ die Beklagte einen Beitragsbescheid für das Jahr 2008. Den Gesamtbeitrag setzte sie auf 100,99 Euro fest. Zur Ermittlung dieses Beitrags berechnete die Beklagte zunächst den sich aus den gemeldeten Arbeitsentgelten (420,00 Euro), der Gefahrklasse (4,50) und dem Beitragsfuß (0,3590) tatsächlich ergebenden Beitrag in Höhe von 8,94 Euro. Anschließend hob die Beklagte den so ermittelten Betrag um 91,06 Euro auf den Mindestbeitrag von 100,00 Euro an. Zusätzlich setzte die Beklagte einen Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage in Höhe von 0,44 Euro sowie einen Beitrag für den arbeitsmedizinischen Dienst in Höhe von 0,55 Euro fest.

Weiter erließ die Beklagte unter dem 24. April 2009 einen Vorschussbescheid für das Jahr 2009, mit welchem sie einen Vorschuss in Höhe des Mindestbeitrags (= 100,00 Euro) festsetzte.

Sowohl gegen den Beitragsbescheid für das Jahr 2008 als auch gegen den Vorschussbescheid für das Jahr 2009 legte der Kläger am 6. Mai 2009 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Beklagte habe bei der Festlegung des Mindestbeitrags ihren Ermessensspielraum verletzt. Die Satzung und die Vorstandsbeschlüsse der Beklagten seien an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, der allgemein für das Handeln des Staates gelte. Die sich hieraus ergebenden Grenzen habe die Beklagte bei der Bestimmung des Mindestbeitrags überschritten. Durch die Anhebung auf den Mindestbeitrag erhöhe sich der Betrag, der für sein Unternehmen nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu zahlen wäre, um mehr als das Zehnfache; dies sei unangemessen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2009 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Die Festsetzung eines Mindestbeitrags sei nicht zu beanstanden. Den Unfallversicherungsträgern sei es nach § 161 SGB VII gestattet, einen Mindestbeitrag zu erheben. Nach §§ 26 Abs. 6, 19 Nr. 12 ihrer Satzung werde ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben, dessen Höhe der Vorstand festsetze. Der vom Vorstand beschlossene Betrag in Höhe von 100,00 Euro sei weder überhöht, noch unverhältnismäßig oder gar sittenwidrig.

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 26. August 2009 mit Zustellungsurkunde zugestellt.

Am 28. September 2009 - einem Montag - hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus: Die Festsetzung des Mindestbeitrags durch den Vorstand der Beklagten sei in der vorliegenden Form nicht zulässig. Die Bestimmung des Mindestbeitrags obliege dem Satzungsgeber; dieser könne seine Befugnis nicht auf den Vorstand übertragen. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, gesetzes- oder verfassu...

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