Entscheidungsstichwort (Thema)

Vormerkung rentenrechtlich relevanter Tatsachen. Ausbildungsanrechnungszeit. vor Vollendung des 17. Lebensjahres liegende Zeiten schulischer Ausbildung

 

Orientierungssatz

Nach § 207 Abs 1 SGB 6 können Zeiten ab Vollendung des 16. Lebensjahrs zu Beitragszeiten werden. Damit besteht generell die Möglichkeit, dass eine vor der Vollendung des 17. Lebensjahres liegende Zeit schulischer Ausbildung in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich relevant werden kann. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Rentenrelevanz im konkreten Fall tatsächlich besteht (namentlich, ob die Antragstellerin Beiträge nachgezahlt hat oder ihr dies noch gestattet ist), denn im Rahmen des Vormerkungsverfahrens ist ausdrücklich verboten, über die Anrechnung und Bewertung von Daten vor einer Leistungsfeststellung zu entscheiden (vgl BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 114/00 R = SozR 3-2600 § 149 Nr 6).

 

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis 31. März 1965 unter Abänderung des Bescheides vom 29. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 als rentenrechtliche Tatsache vorzumerken.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Klägerin die Zeit vom 19. Januar 1965 bis 31. März 1965 als rentenrelevante Tatsache vorzumerken hat.

Die am 19. Januar 1949 geborene Klägerin besuchte in der streitigen Zeit die Berufsfachschule des Zweckverbandes “U… S…„.

Mit Bescheid vom 29. November 2005 merkte die Beklagte rentenrelevante Zeiten der Klägerin vor. Zugleich teilte sie der Klägerin mit, dass die Zeit vom 01. Januar 1965 bis 31. März 1965 nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden könne, weil - was unstreitig ist - die Ausbildung vor dem vollendeten 17. Lebensjahr zurückgelegt wurde.

Hiergegen legte die Klägerin am 27. Dezember 2005 (Eingang bei der Beklagten) Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 zurückwies.

Am 26. April 2006 (Eingang) hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Ihre Schulausbildung während der streitigen Zeit sei eine rentenrechtliche Tatsache, was sich im Rückschluss aus § 207 Abs. 1 SGB VI ergebe, worin das Recht auf Nachzahlung für Ausbildungszeiten nach dem vollendeten 16. Lebensjahr geregelt sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 19. Januar 1965 bis 31. März 1965 unter Abänderung des Bescheides vom 29. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 als rentenrechtliche Tatsache vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Vorschrift des § 54 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) definiere umfassend für alle Bereiche die rentenrechtlichen Zeiten. Da - was unstreitig ist - Ausbildungszeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres keine Anrechnungszeiten sind, lägen auch keine rentenrechtlichen Zeiten vor. Würde es sich bei Schulzeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres um Anrechnungs- und damit rentenrechtliche Zeiten handeln, wäre die Nachzahlung ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit den Schriftsätzen nebst Anlagen sowie den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 29. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 ist insoweit rechtswidrig, als die Zeit vom 19. Januar 1965 bis 31. März 1965 nicht als rentenrelevante Tatsache vorgemerkt wurde.

Rechtsgrundlage für die Vormerkung rentenrelevanter Tatsachen ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Das Vormerkungsverfahren dient dazu, das Vorhandensein von rentenrelevanten Daten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für den künftigen Leistungsfall vorab zu klären. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Infolgedessen wird im Rahmen eines Vormerkungsverfahrens nur geprüft, ob der behauptete rentenrelevante Tatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Über die “Anrechenbarkeit und die Bewertung dieser Zeiten„ kann erst bei Eintritt des Leistungsfalles, bei der Berechnung der Rente, entschieden werden (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 9 S 50; BSGE 49, 44, 46 = SozR 2200 § 1259 Nr. 44; BSGE 56, 151, 153 = SozR 2200 § 1259 Nr. 82). Für die Feststellung ist entscheidend, ob nach derzeitigem Recht generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich erheblich werden kann (BSG, Urteile vom 30. August 2001, Az. B 4 RA 114/00 R, und 16. Dezember 1997, 4 RA 67/96). Demnach beurteilt sich die Frage, ob eine rentenrechtliche Tatsache vorzumerken ist, nach der im jeweils maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen materiellen Rechtslage.

Die Beklagte hat zwar zutreffend festgestellt, d...

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